Neue Hinweise: Viren und Bakterien lösen Appendizitis aus

Was zur Entzündung des Wurmfortsatzes führt, ist immer noch ein Rätsel. Neue Daten erhärten den Verdacht, dass Viren und Bakterien beteiligt sind - und dass eine perforierende Appendizitis andere Ursachen hat als eine nicht perforierende Entzündung.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Solch ausgeprägte Narben am Bauch sieht man heute nach Appendektomie dank laparoskopischer Op nur noch selten. © microimages / fotolia.de

Solch ausgeprägte Narben am Bauch sieht man heute nach Appendektomie dank laparoskopischer Op nur noch selten. © microimages / fotolia.de

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Eine Appendizitis ist zwar der häufigste Grund für eine Notfall-Op, über die Ursachen der Erkrankung ranken sich bislang jedoch nur Hypothesen und Theorien. Im Kern solcher Theorien steht in der Regel die Obstruktion der Appendix vermiformis, entweder durch den Darminhalt oder durch angeschwollenes Lymphgewebe. Und hier lautet wiederum eine Hypothese, dass Infektionen Lymphknoten anschwellen lassen und so schließlich zur Obstruktion führen. Für Keime als Auslöser spricht etwa, dass es immer wieder starke lokale und zeitliche Häufungen von Appendizitis-Erkrankungen gibt, die regelrecht an epidemische Ausbrüche erinnern, berichten Dr. Adam Alder und Mitarbeiter von der Texas University in Dallas (Arch Surg 145(1), 2010, 63). Allerdings konnte bislang noch kein Pathogen dingfest gemacht werden.

Das Team um Alder hat nun US-Klinikdaten aus den vergangenen 36 Jahren ausgewertet und zwar zu Klinikentlassungen nach Appendizitis, Rotavirus-, Influenza- sowie Darminfekten. Die Daten stammten aus einem repräsentativen US-Kliniksurvey, in den Angaben von jährlich etwa 300 000 Patienten einfließen. Die Epidemiologen unterschieden dabei zwischen perforierender und nicht perforierender Appendizitis.

Das Ergebnis: Zwischen 1970 und 1995 ging die Inzidenz der nicht perforierenden Appendizitis um mehr als die Hälfte zurück, und zwar von 15 auf etwa 6 Erkrankungen pro 10 000 Einwohner und Jahr. Seit 1995 steigt sie jedoch wieder langsam an und liegt jetzt bei etwa 10 pro 10 000 Einwohner.

Ähnlich verhält es sich mit den Hospitalisierungen aufgrund von Influenza: Hier sank die Häufigkeit ebenfalls zwischen dem Beginn der 70er und Mitte der 90er Jahre, und zwar von etwa 10 auf 2 pro 10 000 Einwohner. Auffallend war dabei, dass es in den einzelnen Jahren nicht nur starke Schwankungen bei der Zahl der influenzabedingten Klinikeinweisungen gab, sondern auch bei der Zahl der Appendizitis-Patienten - und diese Schwankungen verliefen weitgehend im Gleichtakt. Keine Korrelation gab es dagegen mit der Inzidenz der perforierenden Appendizitis: Diese steigt seit den 70er Jahren geringfügig an und liegt jetzt etwa bei jährlich 3 pro 10 000 Einwohner. Auch korrelierte die Zahl der Appendizitis-Patienten nicht mit der von Hospitalisierungen aufgrund einer Rotavirus- oder Darminfektion.

Die Autoren ziehen daraus zwar nicht die Schlussfolgerung, dass Influenza ein Appendizitis-Auslöser ist - schließlich ist das Virus nur in den Wintermonaten aktiv, wohingegen weder die perforierende noch die nicht perforierende Appendizitis eine Jahreszeit bevorzugen. Aber möglicherweise führt eine Influenza zu Veränderungen, die noch Monate danach eine Appendizitis begünstigen. Oder Umweltfaktoren, die eine Grippewelle fördern, erleichtern auch potenziellen Appendizitis-Pathogenen die Arbeit, so die Autoren.

Auffällig ist auch, dass - im Gegensatz zur nicht-perforierenden - die Häufigkeit der perforierenden Appendizitis weitgehend konstant blieb. Alder vermutet, dass dabei andere Ursachen der Auslöser sind, und dass ein perforierter Appendix möglicherweise eine eigenständige Erkrankung und nicht bloß die Folge einer verzögerten Op ist.

Rätselhaft bleibt auch die wieder zunehmende Inzidenz der Appendizitis seit Mitte der 90er Jahre. Eine Erklärung könnte der steigende Gebrauch von Antibiotika liefern. Möglicherweise stören die Medikamente die Darmflora in einer Weise, die eine Invasion pathogener Keime begünstigt.

Jeder 13. erkrankt an Blinddarmentzündung

In westlichen Industrienationen erkranken jährlich etwa neun bis zwölf von 10 000 Bewohnern an einer Entzündung des Appendix vermiformis. Die Appendizitis ist damit der häufigste Grund für das akute Abdomen. Die Lebenszeitprävalenz liegt bei etwa sieben bis acht Prozent, am häufigsten tritt die Krankheit bei Jugendlichen zwischen dem 9. und 14. Lebensjahr auf. Kleinkinder erkranken relativ selten, haben aber oft atypische Verläufe. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird bei Appendizitis operiert, in den 80er Jahren etablierte sich die laparoskopischen Appendektomie.

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