Ungewisse Therapie bei minimalem Bewusstsein

LEIPZIG (gvg). Fallberichte zur tiefen Hirnstimulation (THS) bei Patienten mit reduziertem Bewusstsein haben in den vergangenen Jahren einiges Aufsehen erregt. Doch noch gibt es wesentlich mehr Fragen als Antworten.

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Kann die tiefe Hirnstimulation bei Patienten nach schwerer Hirnschädigung die Bewusstseinslage verbessern? Professor Volker Tronnier von der Klinik für Neurochirurgie der Universität Lübeck warnte bei der Arbeitstagung Neurologische Intensivmedizin (ANIM 2011) in Leipzig vor verfrühten Schlüssen. Die bisherigen Daten reichten bei weitem noch nicht aus für einen routinemäßigen Einsatz.

Bei den meisten Kasuistiken und Fallserien hapert es daran, dass sie nur ungenügend dokumentiert und deswegen begrenzt aussagefähig seien, sagte der Experte.

"Es gibt allerdings einen gut dokumentierten Bericht über einen Patienten, der sechs Jahre lang im Stadium des minimalen Bewusstseins, also nicht im vollen Koma verbracht hatte." Bei diesem Patienten wurde ein Stimulator in den Thalamus implantiert, über ein halbes Jahr lang kalibriert und danach jeweils 30 Tage an- und ausgeschaltet.

"Es besserten sich nicht nur fast alle gemessenen Hirnfunktionen, sondern sie korrelierten in der Cross-over-Phase auch mit der Stimulatoraktivität", berichtete Tronnier.

Daraufhin habe die FDA grünes Licht für die Behandlung elf weiterer Patienten gegeben. Eine Phase-II-Studie wird vorbereitet.

Der bei diesem Patienten stimulierte intralaminäre Thalamus könne wegen seiner Relaisfunktion im Gehirn eine Zielstruktur für die Stimulation bei stark reduziertem Bewusstsein sein.

Ein Problem blieben aber die Kriterien für solche Eingriffe. Denn klar ist: Gesund werden die Patienten durch die Stimulation nicht.

Es stelle sich damit die auch ethische Frage, inwiefern eine geringe Bewusstseinsaufklarung wirklich ein Fortschritt für die Patienten sei.

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