Bipolare Störungen

Suizidgefahr am Blut abzulesen?

Biomarker im Blut deuten darauf hin, ob Patienten mit bipolaren Störungen an Selbstmord denken. Die Forscher hoffen, dass der Marker zur Identifikation suizidgefährdeter Patienten genutzt werden kann.

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Ein Mann steht am Abgrund. Ob Menschen mit bipolaren Störungen suizidgefährdet sind, lässt sich an einem Biomarker erkennen, haben Forscher herausgefunden.

Ein Mann steht am Abgrund. Ob Menschen mit bipolaren Störungen suizidgefährdet sind, lässt sich an einem Biomarker erkennen, haben Forscher herausgefunden.

© Jitalia17 / istockphoto.com

INDIANAPOLIS. Im Blut von Suizidgefährdeten und Patienten, die sich das Leben genommen hatten, wurden Biomarker entdeckt, die sich eventuell bei bipolaren Störungen diagnostisch nutzen lassen.

Bereits vor vier Jahren entdeckten US-Forscher um Dr. Helen Le-Niculescu an der Indiana-Universität in Indianapolis mithilfe der funktionellen Genomik, bei der die Aktivität vieler Gene gleichzeitig bestimmt wird, Biomarker für affektive Störungen im Blut.

Jetzt haben sie diese Forschung auf suizidgefährdete Patienten mit bipolaren Störungen oder Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis ausgeweitet. Die Blutuntersuchungen erfolgten allerdings ausschließlich bei Männern.

Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel der Patienten mit bipolaren Störungen irgendwann im Leben einen Suizidversuch unternehmen.

Befragungen und Blutproben

Über einen Zeitraum von drei Jahren wurden in der aktuellen Studie bei Teilnehmern mit bipolaren Störungen Befragungen vorgenommen und alle drei bis sechs Monate Blutproben analysiert (Molecular Psychiatry 2013).

Die sich über das gesamte Genom erstreckende Analyse ergab signifikante Unterschiede in der Genexpression bei Teilnehmern, die niemals Suizidgedanken hatten, im Vergleich zu jenen, die sie sehr oft hatten, sowie zu Patienten mit erfolgreichem Suizidversuch.

Aus den 41 besten Kandidatenmarkern kristallisierten sich zunächst 13 heraus, die sich signifikant beim Übergang zwischen den beiden Gemütsverfassungen veränderten und auch bei postmortalen Untersuchungen verändert waren.

Es stellte sich heraus, dass vor allem der Biomarker SAT1 mit suizidalen Gedanken assoziiert war: Je höher die Blutspiegel dieses Biomarkers waren, umso ausgeprägter waren die destruktiven Gedanken. AT1 ist die Bezeichnung für das Gen für Spermidin/Spermin-N1-Acetyltransferase 1, ein wichtiges Enzym im Polyaminstoffwechsel.

Frühere Untersuchungen hatten bei Menschen, die sich das Leben genommen hatten, tatsächlich Störungen des Polyaminstoffwechsels im Gehirn zutage gefördert.

Hohe SAT1-Spiegel - hohes Risiko

Assoziationsuntersuchungen mit den Biomarkern ergaben schließlich, dass hohe Blutspiegel mit einem erhöhten Risiko für eine Klinikeinweisung aufgrund eines Suizidversuchs in Zusammenhang standen.

Außer SAT1 fielen auch die Marker PTEN, MARCKS und MAP3K3 in prospektiven und retrospektiven Analysen als Vorhersageparameter auf.

PTEN (Phosphatase und Tensin Homolog) wirkt als Tumorsuppressorgen, MARCKS (Myristoylated Alanine-rich Protein Kinase C Substrate) ist ein Aktin-organisierendes intrazelluläres Protein, MAP3K3 die Mitogen-aktivierte Protein-Kinase-Kinase-Kinase 3.

Le-Niculescu und ihre Kollegen schließen nicht aus, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt und bei Frauen mit bipolaren Störungen oder Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, die suizidgefährdet sind, ganz andere Biomarker relevant sind.

Deshalb seien jetzt entsprechende Studien bei Frauen - auch mit anderen psychischen Erkrankungen - geplant, bei denen sich leicht Selbsttötungsgedanken entwickeln.

Die Forscher hoffen, dass die Biomarker - etwa mit neuropsychologischen Tests und soziodemografischen Analysen - helfen, besser suizidgefährdete Patienten zu identifizieren. (ple)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Bluttest allein reicht nicht

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