Multiple Sklerose

Impfungen kein Risikofaktor für MS

Als Risikofaktor für Multiple Sklerose (MS) werden bekanntlich auch Impfungen diskutiert. Neue Daten von Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) sprechen erneut gegen einen solchen Zusammenhang (Neurology 2019; online 30. Juli).

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Ein Team der TU München hat die Daten von 200.000 Personen ausgewertet, darunter mehr als 12.000 MS-Erkrankte. Sie fanden keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Impfungen und MS.

Ein Team der TU München hat die Daten von 200.000 Personen ausgewertet, darunter mehr als 12.000 MS-Erkrankte. Sie fanden keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Impfungen und MS.

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MÜNCHEN. Ein Forscherteam um Professor Bernhard Hemmer von der TU München hat einen großen bevölkerungsrepräsentativen Datensatz der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns von über 200.000 Personen ausgewertet, darunter mehr als 12.000 MS-Erkrankte, teilt die TUM mit. Es zeigte sich, dass Personen fünf Jahre vor einer MS-Diagnose weniger Impfungen bekommen hatten, als Vergleichsgruppen, die keine MS entwickelten.

Dies galt für die untersuchten Impfungen gegen Pneumokokken, Meningokokken, Mumps, Masern, Röteln und Windpocken, das Humane Papilloma Virus (HPV), Hepatitis A und B, FSME und Grippe. Bei den drei Letztgenannten fiel der Effekt besonders deutlich aus: hier ließ sich die Kontrollgruppe deutlich häufiger impfen als die späteren MS-Patienten.

„Die Ursachen kennen wir noch nicht. Vielleicht nehmen Menschen lange vor ihrer Diagnose die Krankheit wahr und verzichten deshalb auf zusätzliche Belastungen für das Immunsystem. Solche Effekte zeigen sich auch in unseren Daten. Oder die Impfung hat einen protektiven Effekt und hält das Immunsystem von Attacken gegen das Nervensystem ab.

Kein Zusammenhang mit ersten MS-Schüben

Letztlich können wir aufgrund der großen Datenmenge klar sagen, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass sich die Wahrscheinlichkeit für eine MS-Erkrankung oder das Auftreten eines ersten MS-Schubs durch Impfungen unmittelbar erhöht“, wird Privatdozent Dr. Alexander Hapfelmeier, Erstautor der Studie, in der TUM-Mitteilung zitiert.

Die Forscher wollten zudem ausschließen, dass die Ergebnisse ein grundsätzlicher Effekt von chronischen Krankheiten sein könnten. Sie werteten deshalb zusätzlich die Daten von zwei weiteren Patientengruppen aus: Menschen mit Morbus Crohn und Psoriasis. Auch bei ihnen waren die Impfungen fünf Jahre vor ihrer Diagnose erfasst worden.

Diese Patienten ließen sich aber ähnlich oft impfen wie die gesunde Kontrollgruppe. „Die Ergebnisse sind nicht allein auf eine chronische Krankheit zurückzuführen, sondern ein MS-spezifisches Verhalten“, sagt Hemmer und ergänzt: „Auch aus anderen Studien wissen wir, dass MS-Erkrankte lange vor Diagnose in ihrem Verhalten und ihrer Krankengeschichte auffällig sind. Sie leiden zum Beispiel häufiger an psychischen Erkrankungen und bekommen seltener Kinder.

All das macht deutlich, dass die MS lange vor den neurologischen Symptomen da ist. Wir müssen geeignete Marker finden, um sie früher zu diagnostizieren. Das sehen wir als eine unserer wichtigsten Aufgaben.“ (eb)

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