Wenig Schlaf, viel Schmerz

Hyperalgesie durch Schlafmangel

Bereits eine Nacht ohne Schlaf senkt die meisten sensorischen Schmerzschwellen. Schlafprobleme könnten demnach bei Schmerzpatienten die Pein noch verstärken.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Schlafmangel kann die Schmerzwahrnehmung verzerren und dadurch die Pein verstärken.

Schlafmangel kann die Schmerzwahrnehmung verzerren und dadurch die Pein verstärken.

© Dan Race/Fotolia.com

MANNHEIM. Schmerzpatienten schlafen aufgrund ihrer Schmerzen oft schlecht. Es gibt aber auch Hinweise, dass Schlafmangel die Schmerzwahrnehmung verzerrt und dadurch die Pein verstärken kann.

So wurden bei Personen mit Schlafdefiziten geringere Toleranzgrenzen bei mechanischen Reizen beschrieben, ebenso eine verstärkte Reaktion auf Hitzestimuli.

Um herauszufinden, in welcher Weise genau die Schmerzwahrnehmung durch Schlafdefizite beeinflusst wird, haben Wissenschaftler um Dr. Sigrid Schuh-Hofer von der Universität Mannheim in einer experimentellen Studie die Auswirkungen von einer schlaflosen Nacht auf eine ganze Reihe sensorischer Funktionen geprüft (Pain 2013; online 11 May).

Dazu ließen sie 14 gesunde Probanden jeweils eine Nacht normal schlafen, eine weitere Nacht wurden die Testpersonen unter Aufsicht komplett wach gehalten.

Anschließend erfolgten jeweils morgens nach dem Frühstück die Messungen. Die beiden Tage mit den Messungen lagen im Schnitt etwa drei Wochen auseinander.

Ohne Schlaf: Müdigkeit und Kälte

Nach der durchwachten Nacht fühlten sich die meisten Probanden ziemlich müde, auf einer 100-Punkte-Skala zur Müdigkeit erzielten sie 64 Punkte, nach der normal geschlafenen Nacht nur etwa 11 Punkte.

Sechs von ihnen war nach der durchwachten Nacht zudem ziemlich kalt - sie fröstelten. Auch war der Wert auf einer Angstskala mit 35 Punkten deutlich höher als nach einer normalen Nacht (29 Punkte).

Die Forscher stellten weiterhin fest, dass in den Tests die meisten nozizeptiven Parameter nach einer schlaflosen Nacht verändert waren, nicht aber andere sensorische Parameter.

So ließen sich bei den Messungen kaum Unterschiede bei den Wahrnehmungsschwellen von Temperatur, Vibration oder anderen mechanischen Reizen feststellen.

Hingegen waren die Schwellen, ab denen diese Reize als Schmerzen wahrgenommen wurden, nach der durchwachten Nacht deutlich geringer als nach der Nacht mit normalem Schlaf.

Transmittersystem steht Kopf

Am stärksten waren die Unterschiede bei einem Kältereiz. Wurde nach der gewöhnlichen Nacht ein auf der Haut platzierter Metallkörper erst bei 15 Grad als unangenehm kalt empfunden, war das nach der schlaflosen Nacht bereits bei etwa 22 Grad der Fall.

Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so stark ausgeprägte Reduktion der Schmerzschwelle war auch bei Hitze, Druck sowie einer Reihe von mechanischen Stimuli zu beobachten.

Die Forscher schließen daraus, dass bereits eine Nacht ohne Schlaf zu einer generalisierten Hyperalgesie sowie zu Stimmungsschwankungen mit höherem Angstempfinden führt - weshalb, das ist aber noch weitgehend unklar.

Tierversuche deuten auf Veränderungen in serotonergen, noradrenergen und opioidalen Transmittersystemen, aber auch eine vermehrte Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine durch eine schlafmangelvermittelte Immundeprivation könnte nach Angaben von Schuh-Hofer und Mitarbeitern eine Ursache für die Hyperalgesie sein.

Mehr zum Thema

Schwierige Therapiesituation

Kopfschmerzen bei Kindern: Diese Optionen gibt es

Steigende Prävalenz

Kindliche Rückenschmerzen: Eine neue Volkskrankheit?

Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

© brizmaker | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Depressionsscreening

Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neuer Verschlüsselungsalgorithmus in der TI

gematik verlängert Frist für Austausch der E-Arztausweise

Lesetipps
Mit einer eher seltenen Diagnose wurde ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ursache der Hypoglykämie kam erst durch einen Ultraschall ans Licht.

© Sameer / stock.adobe.com

Kasuistik

Hypoglykämie mit ungewöhnlicher Ursache

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel

© undrey / stock.adobe.com

Kolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel