Dicke Gelenke und Vaskulitis durch Streptokokken

WIESBADEN (ner). Ist eine Arthritis immunologischer oder infektiöser Genese? Das ist diagnostisch manchmal schwer zu unterscheiden. Die Ursache hat aber erhebliche Bedeutung für die Art der Therapie. Es kann durchaus auch beides zutreffen. Dann muss gleichzeitig mit Antibiotika und Steroiden behandelt werden.

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Darauf hat Professor Elisabeth Märker-Hermann beim Internisten-Kongress aufmerksam gemacht. Die Rheumatologin aus Wiesbaden schilderte die Krankengeschichte eines 50-jährigen Mannes, der mit Fieber, Schwindel, Mattigkeit und verminderter Vigilanz ins Krankenhaus gekommen war. Die Entzündungsparameter waren erhöht, im Lungen-Röntgen fanden sich flaue Infiltrate, in der Blutkultur war Streptococcus bovis nachweisbar. Auch war der Rheumafaktor positiv, antinukleäre Antikörper (ANA) lagen vor.

Verdacht auf beginnende systemische Kollagenose

Die Kollegen gingen zunächst von einer Sepsis bei Bronchopneumonie aus, mit Verdacht auf eine beginnende systemische Kollagenose. Bei einer Antibiose mit Cefuroxim gingen die Symptome zurück.

Zwei Monate später wurde der Patient wegen rezidivierender depressiver Episoden in die Psychiatrie eingewiesen. Dort fiel eine ausgeprägte Purpura der Beine und Arme auf mit fluktuierenden Gelenkschmerzen. Der Patient hatte innerhalb von vier Monaten 30 kg abgenommen. Er wog jetzt 103 kg. Wegen erneut auftretenden Fiebers und starker symmetrischer Myalgien an Oberarmen und Oberschenkeln kam der Mann zu den Wiesbadener Rheumatologen.

Finger-, Hand-, Schulter- und Kniegelenke waren geschwollen und schmerzempfindlich gegen Druck. Zudem waren die Zähne sehr schlecht - einige waren abgebrochen oder hatten starke Karies. Die Rheumatologen stellten schließlich eine Streptokokken-Endokarditis der Mitral- und Trikuspidalklappe fest sowie eine para-infektiöse Vaskulitis von dem Typ Schoenlein-Henoch. Die Schoenlein-Henoch-Purpura ist eine Immunkomplex-Vaskulitis, die in Haut, Nieren und Magen-Darmtrakt die Gefäße befällt. Die Antikörper lösen außerdem Muskel- und Gelenkschmerzen aus.

Bei der kombinierten Behandlung mit Antibiotika intravenös (Gentamicin, Ampicillin) sowie einem Steroidbolus von 250 mg i.v., gefolgt von 20 mg oral täglich, erholte sich der Patient sehr rasch. Das Fieber sank sofort, die Myalgien und das Exanthem verschwanden innerhalb von zwei Tagen, wie Frau Märker-Hermann berichtete. Die Kollegin wies darauf hin, dass eine kurzfristige Steroidtherapie die Abwehrlage von Patienten mit bakteriellen Infektionen nicht gefährdet.

Bakterien können durch direkte Gelenkbesiedlung, aber auch in inaktiver Form zu Arthritiden führen. So kommt es zu immunvermittelten Reaktionen im Gelenk, wenn Bakterien-Eiweiß oder etwa genetisches Material von Chlamydien oder Borrelien im Gelenk bleibt. Es handelt sich dann um eine reaktive Arthritis. Ähnliches gilt bei Virus-Infektionen.

Cardiolipin-Antikörper sind auch Hinweis auf Endokarditis

Bei dem Patienten hatten offenbar einerseits Streptokokken Lunge und Herzklappen befallen. Andererseits waren immunologische Prozesse angestoßen worden. Von diagnostischem Wert sind unter anderem die Cardiolipin-Antikörper, die bei dem Patienten bereits bei der Erstuntersuchung positiv gewesen waren. Dies weist nach Angaben von Märker-Hermann auf eine Infektion hin. Zum Beispiel seien die Cardiolipin-Antikörper vor allem bei Patienten mit Hepatitis C, HIV, bei schweren bakteriellen Infektionen und bei Endokarditis positiv.

Ob der starke Gewichtsverlust des Mannes allein auf die Erkrankung zurückgeführt werden kann, ist unklar. Ein Zuhörer machte bei der Diskussion darauf aufmerksam, dass Streptococcus bovis auch vermehrt bei Kolonkarzinomen beobachtet werde. Deshalb sei eine Koloskopie empfehlenswert. Der Patient benötigt wahrscheinlich neue Herzklappen, und das Gebiss muss saniert werden.

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