Möglicher Alzheimer-Therapieansatz

Paul Ehrlich-Preis für die „Anstandsdamen der Zelle“

Für ihre Forschung zu Chaperonen erhalten Franz-Ulrich Hartl und Arthur L. Horwich den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2019. Ihre Erkenntnisse könnten für neue Therapien von neurodegenerativen Erkrankungen eingesetzt werden.

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FRANKFURT / MAIN. Der mit 120.000 Euro dotierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird am 14. März 2019 an die beiden Preisträger Professor Franz-Ulrich Hartl aus Deutschland und den US-Amerikaner Dr. Arthur L. Horwich verliehen. Die beiden Forscher werden in der Frankfurter Paulskirche für ihre Arbeiten zur Proteinfaltung geehrt, wie der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung bekannt gegeben hat.

Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis

  • Die Verleihung des Preises findet am 14. März, dem Geburtstag Paul Ehrlichs, statt.
  • Geehrt werden Wissenschaftler für Forschungsarbeiten aus den Bereichen Immunologie, Onkologie, Hämatologie, Mikrobiologie und Chemotherapie.
  • Verliehen wird der Paul Ehrlich-Preis seit dem Jahr 1952, der Nachwuchspreis seit 2006.

Hartl ist Direktor am MPI für Biochemie in München, Horwich forscht am Boyer Center for Molecular Medicine der Yale School of Medicine, dem Department of Genetics und dem Howard Hughes Medical Institute. Die beiden Forscher werden für ihre Erkenntnis geehrt, dass die Proteine sämtlicher Organismen über einen komplizierten Prozess gefaltet werden und dabei auf Chaperone angewiesen sind.

Mit diesem Blick in den „Werkzeugkoffer der Zelle“ widerlegten Hartl und Horwich ein zentrales Dogma der 1970er Jahre: Demnach sollten Proteine allein durch die in der Abfolge ihrer Aminosäuren enthaltenen Strukturinformation in der Lage sein, sich ohne fremde Hilfe richtig zu falten. Das ist zwar grundsätzlich richtig, trotzdem benötigen die Proteine dabei die Chaperone.

Wie funktionieren Chaperone?

Ein Chaperon (englisch für "Anstandsdame") ist ein Protein, das neuen Proteinen dabei hilft, sich korrekt zu falten. Dies geschiet, indem das Chaperon das Protein vor schädlichen Kontakten mit anderen Proteine schützt – eben wie eine Anstandsdame. Durch solche könnten die reaktionsfreudigen ungefalteten Proteine Aggregate mit den anderen Proteinen bilden und so ihre Wirkung verlieren – dies verhindern die Chaperone durch die räumliche Abtrennung.

Die von Hartl und Horwich entdeckten Faltungshilfen funktionieren wie kleine Käfige. Diese bestehen aus zwei hohlen, übereinanderliegenden Ringen, in die nicht gefaltete Proteinketten hineingezogen und über einen Deckel abgeschirmt werden.>

Gelingt es den Proteinketten nicht auf Anhieb in der Abgeschiedenheit dieser Hohlzylinder ihre korrekte dreidimensionale Struktur zu finden, dürfen sie noch einmal zurück und erhalten eine weitere Chance – bis dass sie entweder fertig gefaltet oder als unbrauchbar deklariert und für den Abbau freigegeben worden sind. Diese unerwarteten Entdeckungen haben ein völlig neues Forschungsfeld begründet.

Über die Jahre haben Hartl und Horwich die molekularen Details der zellulären Proteinfaltung bei Bakterien und in den Zellen höherer Lebewesen entschlüsselt und dabei ganz eigene Schwerpunkte gesetzt, heißt es in der Mitteilung der Paul Ehrlich-Stiftung.

Hartl hat sich vor allem mit der exakten Beschreibung der molekularen Faltungsmechanismen beschäftigt, Horwich wichtige Beiträge zur atomaren Struktur mittels Röntgenstrukturanalyse geliefert. Die Arbeiten der beiden Forscher sind auch für die Medizin von erheblicher Relevanz, da falsch gefaltete und verklumpte Proteine bekanntlich ein wichtiges Merkmal vieler neurodegenerativer Erkrankungen sind.

Ein besseres Verständnis dieser Fehlfaltungen könnte wichtige Ansatzpunkte für die Therapie dieser Erkrankungen liefern, wie beide Preisträger bereits gezeigt haben. Horwich erforscht heute vor allem die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Hartl Morbus Parkinson und Krankheiten, bei denen lange Glutamin-Ketten die Funktion einiger Proteine stören, etwa bei Chorea Huntington.

Nachwuchspreis für Biochemikerin

Der mit 60.000 Euro dotierte Nachwuchspreis geht an Dr. Dorothee Dormann von der LMU München. Die Preisträgerin hat nachgewiesen, dass der Ausschluss zweier Proteine aus dem Zellkern die Entstehung einer speziellen Form von Demenz und der ALS fördert. Auch Dormann hofft mit ihrer Forschung, Anknüpfungspunkte für die Therapie zu finden. (eb/Mitarbeit: ajo)

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