Ausstellung in Unikliniken

33 medizinische Herausforderungen

"33 Uniklinika – Eine Spitzenmedizin" heißt eine Ausstellung, die derzeit durch deutsche Unikliniken tourt. Präsentiert werden außergewöhnlich herausfordernde Krankheitsfälle.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Familie Bopp mit den Göttinger Spitzenforschern, die den drei Geschwistern Sebastian, Janina und Bria das Leben retteten. Ihre Geschichte ist Teil der Ausstellung „33 Uniklinika – Eine Spitzenmedizin“.

Familie Bopp mit den Göttinger Spitzenforschern, die den drei Geschwistern Sebastian, Janina und Bria das Leben retteten. Ihre Geschichte ist Teil der Ausstellung „33 Uniklinika – Eine Spitzenmedizin“.

© Heidi Niemann / PID

GÖTTINGEN. Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) ist ein besonderer Erfolg gelungen: Ein Forscherteam um den Neuropädiater Professor Robert Steinfeld hat bei einem Kind weltweit erstmals eine bis dahin unerkannte seltene und rasant fortschreitende Erkrankung diagnostiziert, deren Mechanismus entschlüsselt und in relativ kurzer Zeit eine Therapie entwickelt.

Dank dieser Behandlung hat sich nicht nur der Zustand des betroffenen Jungen deutlich verbessert. Auch seine beiden jüngeren Schwestern, die ebenfalls diesen Gen-Defekt haben, profitieren von dem Therapieansatz.

Bei ihnen konnten die Göttinger Ärzte die Krankheit – die "Cerebrale Folattransportdefizienz" (CFTD) – so frühzeitig entdecken und behandeln, dass sich die Symptome kaum ausprägten beziehungsweise gar nicht erst zum Ausbruch kamen.

33 Patienten erzählen

Weitere Stationen der Ausstellung

- 28. August bis 14. September: Universitätsmedizin Rostock

- 4. bis 13. September: Universitätsmedizin Mainz

- 14. bis 29. September: Universitätsklinikum Leipzig

- 15. September bis 4. Oktober: Universitätsmedizin Greifswald

- 29. September bis 23. Oktober: Universitätsklinikum Erlangen

- 5. bis 20. Oktober: Universitätsklinikum Tübingen

- 24. Oktober bis 17. November: Universitätsklinikum Jena

Informationen zur Ausstellung:

www.deutsche-uniklinika.de

"Dieser besondere Fall zeigt, welche Spitzenleistung die Universitätskliniken erbringen", sagt Professor Heyo K. Kroemer, Sprecher des Vorstandes der Göttinger Universitätsmedizin. Nur die Unikliniken hätten die Kompetenzen und Ausstattung, um derart seltene und schwierige Fälle behandeln zu können.

Dies ist auch Thema der Ausstellung "33 Uniklinika – Eine Spitzenmedizin", die noch bis zum 31. August im Göttinger Uniklinikum zu sehen ist und anschließend noch bis Jahresende durch Deutschland wandert.

Auf lebensgroßen Foto-Aufstellern erzählen 33 Patienten ihre Geschichte. Sie alle verdanken ihre Gesundheit den besonderen Leistungen der Mediziner und der speziellen Ausstattung der deutschen Universitätskliniken – unter ihnen die drei Geschwister Sebastian, Janina und Bria.

Die Mediziner haben nicht nur den drei Geschwistern das Leben gerettet. Inzwischen sind bei den Göttinger Spezialisten mehrere andere Kinder mit dieser Krankheit in Behandlung, weltweit sind etwa 20 Fälle bekannt. "Das ist für einen Arzt und Wissenschaftler natürlich sehr befriedigend, wenn man mit Forschung einen so direkten Behandlungserfolg erzielen kann", sagt Professor Steinfeld.

"Wirklich außergewöhnlich"

Gabriela und Robert Bopp, die Eltern der drei Geschwister, sind froh, dass die Grundlagenforschung der Göttinger Forscher so schnell in eine Therapie mündete: "So etwas ist wirklich außergewöhnlich." Die Familie, die in Ellwangen in Baden-Württemberg wohnt, ist derzeit wieder für mehrere Tage in Göttingen, weil die Kinder weiterhin regelmäßig im Uni-Klinikum untersucht werden müssen.

"Wir sind jetzt zum 55. Mal hier", sagt Robert Bopp. Ihre Hausärztin hatte den Eltern damals den Tipp gegeben, sich an die Göttinger Klinik für Kinder- und Jugendmedizin zu wenden, weil diese bereits seit vielen Jahren auf die Erforschung und Behandlung seltener Erkrankungen spezialisiert ist.

Der heute 14 Jahre alte Sohn Sebastian hatte sich zunächst normal entwickelt "Als er drei Jahre alt war, fing er plötzlich an zu stolpern", berichtet sein Vater. Innerhalb weniger Monate veränderte sich der Zustand dramatisch. Der Junge konnte nicht mehr sprechen und nicht mehr greifen, bekam immer häufiger epileptische Anfälle, saß im Rollstuhl, wurde zum Pflegefall.

Dann kam der nächste Schock: Bei der zwei Jahre jüngeren Tochter Janina zeigten sich ebenfalls erste Symptome. "Wir haben uns darauf eingestellt, dass wir innerhalb von 12 bis 18 Monaten ein Kind verlieren und zwei Jahre später das zweite", sagt Robert Bopp.

Die Göttinger Forscher nutzten alle modernen bildgebenden Möglichkeiten und molekularen und zellbiologischen Methoden, um der rätselhaften Krankheit auf die Spur zu kommen. Schließlich fanden sie heraus, dass das Gehirn nicht mit dem lebenswichtigen Vitamin B9 versorgt wird und dass eine bestimmte Gen-Mutation die Ursache ist.

Diese bewirkt, dass der Transport von Folaten zum Gehirn blockiert wird. Der Folatmangel hat zur Folge, dass das Gehirn schrumpft und die geistigen und motorischen Fähigkeiten immer weiter schwinden. Die Göttinger Forscher entwickelten einen Therapieansatz, wie sich die "Cerebrale Folattransportdefizienz" (CFTD) über alternative Transportwege ausgleichen lässt.

Mehrere Dutzend Tabletten

Die Therapie zeigte schnell Wirkung. "Während Sebastian früher keinerlei Gefühlsregungen mehr zeigte, kann er inzwischen wieder selbständig laufen, auf seine Umwelt eingehen und lächeln", sagt Robert Bopp. Auch die epileptischen Anfälle seien deutlich seltener.

Bei der inzwischen zwölfjährigen Schwester Janina sind die ersten Symptome verschwunden, die achtjährige Bria hat sich völlig normal entwickelt. Damit dies so bleibt, müssen die beiden Mädchen morgens und abends mehrere Dutzend Tabletten schlucken. Sebastian muss einmal wöchentlich in die Klinik, um per Injektion mit den nötigen Folatmengen versorgt zu werden.

Die Eltern haben inzwischen die Stiftung "Folate for Life" (CFD-Foundation) gegründet. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, die Wissenschaft und Forschung über Erkrankungen mit zerebraler Folatdefizienz zu fördern.

Außerdem will die Stiftung Aufklärungsarbeit leisten und darüber informieren, wie wichtig Folate für die Gesundheit sind. Wer täglich Salat, grünes Gemüse und Vollkornprodukte zu sich nehme, habe seinen Tagesbedarf gedeckt. Auch in Deutschland gebe es aber einen weit verbreiteten Folsäuremangel.

Ursache sei eine falsche Ernährung in Verbindung mit Diäten, Medikamenten und Alkoholkonsum. Besonders problematisch sei eine Folatunterversorgung für Schwangere. Diese hätten einen um bis zu 30 Prozent höheren Bedarf an Folaten.

Bei einer Unterversorgung bestehe das Risiko, dass es zu Frühgeburten und Missbildungen komme. Die Stiftung setzt sich außerdem dafür ein, dass die genetisch bedingte CFD-Erkankung in das Neugeborenen-Screening aufgenommen wird.

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