Versuchter Mord

Hartes Urteil wegen vergifteter Pausenbrote

Die Geschichte bleibt rätselhaft, dennoch hat das Gericht jetzt ein Urteil verkündet. Der Prozess um vergiftete Pausenbrote in Bielefeld ist mit einem sehr seltenen Urteil zu Ende gegangen.

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Mit gefährlichen Substanzen auf deren Pausenbroten und in Getränken soll ein Mann drei seiner Kollegen vergiftet haben – ein Kollege trug einen irreparablen Hirnschaden davon.

Mit gefährlichen Substanzen auf deren Pausenbroten und in Getränken soll ein Mann drei seiner Kollegen vergiftet haben – ein Kollege trug einen irreparablen Hirnschaden davon.

© somenski /stock.adobe.com

BIELEFELD. Im Prozess um vergiftete Pausenbrote in einem Betrieb in Ostwestfalen ist am Donnerstagnachmittag das Urteil des Landgerichts Bielefeld ergangen: lebenslange Haft wege versuchten Mordes. Der angeklagte 57-jährige Deutsche soll von 2015 bis 2018 mehrere seiner Arbeitskollegen in Schloß Holte-Stukenbrock mit gefährlichen Substanzen auf deren Pausenbroten und in Getränken vergiftet haben.

Zwei von ihnen wurden nierenkrank und müssen mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen leben. Ein drittes Opfer liegt mit einem irreparablen Hirnschaden im Wachkoma und wird von seinen Eltern gepflegt.

Bei ihren Plädoyers hatten sich zuvor auch auch Staatsanwaltschaft und Nebenkläger für lebenslange Haftstrafe und anschließend Sicherungsverwahrung ausgesprochen. Die Verteidiger sahen dagegen keinen Mordversuch und hatten für eine Freiheitsstrafe von höchsten neun Jahren plädiert. Dass ihr Mandant dem heutigen Wachkoma-Patienten Quecksilber verabreicht haben soll, sei im Prozess nicht bewiesen worden.

 Der Angeklagte hat sich in dem Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert. Psychiatrische Gutachter konnten daher nur Vermutungen zur Motivlage anstellen.

Klaus O. habe wohl beobachten wollen, wie das Gift wirkt, hatte ein Psychologe im Prozess über die fünf Gespräche in der Untersuchungshaft berichtet: „Seine Äußerungen zu seinem Motiv kamen mir vor wie bei einem Wissenschaftler, der ausprobiert, wie Stoffe wirken bei einem Kaninchen.“

Der Vorsitzende Richter Georg Zimmermann betonte, dass das Motiv im Dunkeln geblieben sei: „Wir wissen nichts.“ Er sagte in der Urteilsbegründung, dass die Schuld des Verurteilten wegen der Folgen für die Opfer besonders schwer wiege. Außerdem bezeichnete Zimmermann Klaus O. als eine Gefahr für die Allgemeinheit. „Bei ihnen wurden Stoffe gefunden, die gefährlicher sind als Kampfstoffe, die im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden“, sagte der Vorsitzende Richter.

Überführt durch Videoüberwachung

Einem der heute kranken Kollegen war im vergangenen Jahr schließlich ein weißes Pulver auf einem Brot aufgefallen. Er wurde stutzig, machte Fotos und schaltete die Firmenleitung ein.

Das Unternehmen ließ eine Videoüberwachung in dem Pausenraum installieren. Die Aufnahmen, die auch in dem Prozess als Beweis gezeigt und verwendet wurden, zeigten den jetzt Verurteilten dabei, wie er das Pulver in von den Kollegen unbeobachteten Momenten auf deren Stullen verteilte.

Das Landgericht Bielefeld ordnete am Donnerstag über die lebenslange Haft hinaus Sicherungsverwahrung für den 57-Jährigen an, da die Richter von einem Hang zu weiteren schweren Straftaten ausgehen. Das Schwurgericht stellte zusätzlich die besondere Schwere der Schuld fest. Damit griffen die Richter zur Höchststrafe. Lebenslang wird bei Mordversuchen nur selten verhängt.

Dass der Angeklagte sich in dem Prozess nicht zu den Vorwürfen oder seinem Motiv geäußert hatte, hatte für Enttäuschung bei den Nebenklägern gesorgt. Während der Verhandlung saß Klaus O. weitestgehend regungslos zwischen seinen Verteidigern. Auch das Urteil nahm er ohne äußerliche Regung auf.

Klaus O. gilt als voll schuldfähig. Er wurde auch der schweren und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen. Wird wie in seinem Fall eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und außerdem die besondere Schwere der Schuld festgestellt, ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Die Verteidigung kündigte Revision an. (dpa)

Wir haben diesen Beitrag aktualisiert und ergänzt am 07.03.2019 um 16.30 h

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