Trägt CRP-Senkung eigenständig zum Erfolg der Statintherapie bei?

Für die günstige Wirkung der Statine auf Morbidität und Mortalität ist die Reduktion der Cholesterinspiegel ausschlaggebend. Das ist sicher richtig, aber möglicherweise nur die halbe Wahrheit. Neue Daten sprechen dafür, daß auch die antientzündliche Wirkkomponente der Statine von eigenständiger Bedeutung für die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse ist. Am besten scheinen KHK-Patienten durch Statine geschützt zu sein, wenn sowohl das Cholesterin als auch der Entzündungsparameter CRP (C-reaktives Protein) deutlich gesenkt werden. Gelten für die Statintherapie demnächst zwei Zielvorgaben?

Veröffentlicht:

Peter Overbeck

Daß Statine auch eine antiinflammatorische Wirkung haben, ist in mehreren Studien unter anderem anhand einer signifikanten Reduktion der CRP-Spiegel dokumentiert worden. Dieser Effekt war unabhängig von der gleichzeitigen Senkung der LDL-Cholesterinspiegel.

In mehr als einem Dutzend großer Studien ist übereinstimmend beobachtet worden, daß erhöhte CRP-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse korreliert sind. CRP scheint jedoch mehr als nur ein Risikomarker zu sein. Inzwischen mehren sich die Hinweise, daß es sich bei diesem Protein um einen an der Entwicklung atherosklerotischer Koronarläsionen aktiv beteiligten Mitspieler handelt, der unter anderem die Konversion von stabilen in instabile Plaques fördern kann.

Völlig unklar ist, welchen Anteil die CRP-senkende Wirkung an der Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen durch Statine hat. Liefert der antiinflammatorische Effekt wirklich einen eigenständigen Beitrag zum klinischen Nutzen dieser Lipidsenker? Oder handelt es sich doch nur um einen Effekt, der an die LDL-Cholesterinsenkung gekoppelt ist?

Um Antworten geben zu können, haben die Initiatoren der PROVE-IT-Studie unter Federführung von Professor Paul Ridker aus Boston ihr Datenmaterial erneut analysiert. Zur Erinnerung: In der PROVE-IT-Studie ist bei 4162 Hochrisiko-Patienten innerhalb von zehn Tagen nach akutem Koronarsyndrom (instabile Angina pectoris/Myokardinfarkt mit und ohne ST-Hebung) eine Behandlung mit 80 mg Atorvastatin (intensive Lipidsenkung) oder 40 mg Pravastatin (Standardtherapie) begonnen worden.

Die mittlere Dauer der Verlaufsbeobachtung betrug 24 Monate. Durch die intensive Lipidsenkung mit Atorvastatin wurde die Inzidenzrate für den primären kombinierten Studienendpunkt (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, instabile Angina pectoris, Revaskularisation) signifikant um 16 Prozent im Vergleich zur konventionellen Behandlung mit Pravastatin gesenkt.

Nach 30 Tagen, nach vier Monaten und am Studienende ist bei allen Studienteilnehmern außer LDL-Cholesterin auch der CRP-Wert bestimmt worden. Bei ihrer neuen Auswertung haben Ridker und Mitarbeit analysiert, in welcher Relation die mit beiden Statinen nach 30 Tagen erreichten LDL-Cholesterin- und CRP-Werte zur Inzidenz von Koronarereignissen (Koronartod, Myokardinfarkt) standen. Zudem sollte geklärt werden, ob das Erreichen eines selbst gesteckten "Doppelziels" (LDL-Cholesterin < 70 mg/dl; CRP-Spiegel < 2 mg/l) von prognostischer Relevanz war.

Je niedriger nach 30 Tagen das LDL-Cholesterin, um so niedriger war in der Folge auch die Inzidenz von Koronarereignissen. In gleicher Beziehung standen auch die CRP-Spiegel zur Häufigkeit von Koronarkomplikationen.

Bei Patienten mit LDL-Cholesterinwerten unter 70 mg/dl traten solche Ereignisse signifikant seltener auf als bei Patienten mit Werten über 70 mg/dl. Doch auch Patienten mit CRP-Werten unter 2 mg/dl hatten ein signifikant niedrigeres Risiko als diejenigen mit Werten über 2 mg/dl. Die Risikoreduktion war jeweils nahezu identisch.

Der entscheidende Punkt: In beiden Fällen waren es nicht dieselben Patienten, die von der Risikoreduktion profitierten. Aus den erreichten LDL-Cholesterinwerten ließ sich nicht auf die erreichten CRP-Werte schließen. Die Unabhängigkeit der CRP-Spiegelveränderung von der Veränderung der LDL-Cholesterinspiegel hat sich auch hier wieder bestätigt.

In Abhängigkeit von den erreichten Zielwerten (LDL-Cholesterin < 70 mg/dl; CRP < mg/l) hat Ridker die Patienten in vier Gruppen stratifiziert und das jeweilige Risiko ermittelt. Relativ am höchsten war die Rate an Koronarereignissen in der Gruppe der Patienten, bei denen keiner der beiden Zielwerte erreicht wurde.

Ein signifikant geringeres Risiko hatten im Vergleich dazu die Patienten in den beiden Gruppen, bei denen jeweils nur ein Parameter im Zielbereich (LDL-Cholesterin < 70 mg/dl oder CRP < 2 mg/l) lag. Am besten waren jedoch diejenigen Patienten vor weiteren Koronareignissen geschützt, bei denen das "Doppelziel" (LDL-Cholesterin < 70 mg/dl und CRP < 2 mg/l) erreicht werden konnte.

Für Ridker sind dies aufregende Ergebnisse. Er sieht darin das "erste harte Stückchen Evidenz", daß eine CRP-Senkung per se das kardiovaskuläre Risiko verringern kann.

Durch 80 mg Atorvastatin wurden in der Studie sowohl das LDL-Cholesterin als auch der Entzündungsparameter CRP signifikant stärker gesenkt als durch 40 mg Pravastatin. Doch auch mit dieser aggressiven Behandlung gelang es nur bei 44 Prozent aller Patienten, sowohl LDL-Cholesterin- als auch CRP-Spiegel gleichzeitig in den niedrigen Zielbereich zu senken (Pravastatin: 11 Prozent).

Über den Umweg seiner neuen Forschungsergebnisse, die auch ein neues Licht auf die Behandlung mit Statinen werfen, dabei allerdings auch ihre Grenzen aufzeigen, gelangte Ridker ironischerweise am Ende wieder zu den guten alten Maßnahmen, die am Anfang jeglicher Behandlung von KHK-Patienten stehen sollten.

Auch im Falle einer aggressiven Lipidsenkung seien eine gesunde Ernährung, körperliche Belastung und Nikotinverzicht "absolut notwendig", betonte der anerkannte Experte in Sachen Inflammation und KHK. Denn durch all diese Maßnahmen läßt sich auch bei ausgereizter Statintherapie der CRP-Spiegel noch weiter senken.

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