HINTERGRUND

Nüsse haben zu Unrecht ein schlechtes Image - sie sind gut für die Gefäße und senken die Cholesterinwerte

Veröffentlicht:

Von Angela Speth

Wenn Schmalhans Küchenmeister wäre, würde er wohl kaum Nüsse auftischen. Denn sie bestehen zu zwei Dritteln aus Fett und sind daher recht nahrhaft.

Insofern liegt es nahe, besonders Menschen mit Übergewicht und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten vor Nüssen zu warnen. Es mag paradox klingen, doch gerade solche Menschen sollten öfter die harten Schalen knacken. Denn wer viel Nüsse ißt, dessen KHK-Risiko sinkt beträchtlich - ohne daß er dicker wird.

In den USA, aus denen fast alle Untersuchungen zu diesem Thema stammen, ist die frühere Ablehnung von Nüssen durch Ernährungsexperten einer eindeutigen Fürsprache gewichen. Damit dieser Wandel in Europa ebenfalls nicht länger ignoriert wird, hat Professor Johannes Diehl, ehemals Leiter an der Bundesforschungsanstalt für Ernährung, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einem Bericht zusammengetragen.

Herzinfarkte sind bei Nußliebhabern seltener

Als 1992 in Kalifornien eine epidemiologische Studie ergab, daß die Häufigkeit von Herzinfarkten um so stärker abnimmt, je mehr Nüsse jemand ißt, wollte das zunächst niemand glauben. Demnach ist bei Personen, die mehr als fünfmal pro Woche Nüsse knabbern, das Risiko eines tödlichen Herzinfarkts um die Hälfte geringer als bei jenen, die das weniger als einmal wöchentlich tun.

Kritiker argumentierten, das liege nicht am Nußverzehr selbst, sondern am damit einhergehenden Verzicht auf Fleisch, Eier und Milchfette. Denn die Studienteilnehmer waren Adventisten vom Siebten Tag, die sich hauptsächlich von Getreideprodukten, Obst und Gemüse ernähren.

Doch die Skeptiker wurden eines Besseren belehrt: Hinweise auf einen Nutzen nußhaltiger Ernährung haben sich auch in riesigen Studien (Iowa Women’s Health Study, Nurses´ Health Study, Physicians´ Health Study) für andere Bevölkerungsgruppen ergeben.

Klinischen Untersuchungen zufolge beruht der Effekt vor allem darauf, daß Nüsse den Serumspiegel von Gesamt- und LDL-Cholesterin um einige Prozent senken. Ob Personen mit normalen oder erhöhten Blutfetten daran teilnahmen, ob sie Mandeln, Wal-, Macadamia-, Hasel-, Erd- oder Pekannüsse erhielten: Der Vorteil war um so ausgeprägter, je mehr Nüsse sie verzehrten. Dabei übertrafen die kleinen Kraftpakete sogar das weithin propagierte Olivenöl, eine fettarme sowie eine typisch mediterrane oder japanische Kost.

Der Nutzen für die Gefäße ließ sich auch direkt belegen: Nachdem Personen mit erhöhten Cholesterinwerten vier Wochen lang vermehrt Walnüsse gegessen hatten, funktionierte die endothelabhängige Vasodilatation besser als zu Anfang. Möglicherweise beugen Nüsse auch der Bildung von Oxidationsprodukten vor, die bei der Athero-sklerose von Bedeutung sind. Darüber hinaus gibt es Resultate, wonach Nüsse die Gefahr von Magen- und Prostatakrebs senken und helfen, den Blutzucker beim Typ-II-Diabetes zu stabilisieren sowie Darm und Blutdruck zu regulieren.

Noch weitgehend ungeklärt ist jedoch, auf welchen Inhaltsstoffen die günstigen Wirkungen beruhen. Als Kandidaten kommen ungesättigte Fettsäuren infrage, die in Nüssen sattsam enthalten sind, allerdings in unterschiedlicher Zusammensetzung. So sind Walnüsse arm an einfach ungesättigten Fettsäuren, aber reich an mehrfach ungesättigter Linol- und Linolensäure, bei Macadamia-Nüssen verhält es sich genau umgekehrt.

Doch offenbar sind es nicht nur die Fettsäuren, ergab ein Versuch mit Ratten: Deren Cholesterinwert verringerte sich selbst dann, wenn sie ölfreies Walnußmehl fraßen. Das Nuß-Eiweiß ist auch reich an Arginin, einer Vorstufe von Stickoxid, das der Atherosklerose entgegenwirkt, indem es die Gefäße erweitert und das Verklumpen von Blutplättchen hemmt. Eventuell sind aber auch Vitamine, Spurenelemente, Ballaststoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe von Bedeutung.

Nüsse wurden lange als Dickmacher betrachtet

Zu guter Letzt sind Nüsse zu Unrecht als Dickmacher verschrien. So konsumieren Bewohner von Mittelmeerländern doppelt so viel davon wie US-Amerikaner, leiden aber viel seltener unter Übergewicht. Wenn Versuchspersonen Nüsse statt anderer Lebensmittel verzehrten, nahm ihr Körpergewicht sogar leicht ab.

Aßen sie die Schalenfrüchte zusätzlich, nahmen sie zwar zu, aber weniger als nach der Kalorienmenge zu erwarten gewesen wäre. Mögliche Erklärungen dafür sind, daß Nüsse den Energieverbrauch in Ruhe erhöhen, das Gefühl der Sättigung verstärken oder daß viel von ihrem Fett unverdaut ausgeschieden wird.

Den Bericht zu Nüssen gibt es bei: www.bfa-ernaehrung.de/Bfe-Deutsch/Information/e-docs/DiehlText.pdf



Nüsse in die Mahlzeiten einbinden!

Täglich etwa eine Handvoll Nüsse zu essen, das rät Dr. Achim Bub von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe. Allerdings sollte man sie möglichst nicht abends zusätzlich als Snack vor dem Fernseher verzehren, sondern in die Mahlzeiten einbinden, etwa über Salat streuen oder Sahne und Butter in Speisen teilweise durch gemahlene Nüssen oder Nußöl ersetzen.

"Jede Nußart hat ihre Vorzüge, ihre speziellen Fettsäuren und Pflanzenstoffe", so Bub. Der Mix macht‘s.

Mehr zum Thema

Unabhängig vom BMI

Frauen mit Bauchspeck häufiger infertil

Klimawandel

Fruchtsaft schadet Nieren bei großer Hitze

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen