Grundsatzurteil

Gentechnik — EuGH legt Regeln streng aus

Der Europäische Gerichtshof hat mit einer Grundsatzentscheidung verhindert, dass mit neueren Gentechnikverfahren veränderte Lebensmittel ungekennzeichnet in die Supermärkte gelangen.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Durch Mutagenese gewonnene Produkte und Organismen unterliegen grundsätzlich den Vorgaben der europäischen GVO-Richtlinie zur Gentechnik.

Durch Mutagenese gewonnene Produkte und Organismen unterliegen grundsätzlich den Vorgaben der europäischen GVO-Richtlinie zur Gentechnik.

© Mathias Noll / stock.adobe.com

LUXEMBURG. Durch Mutagenese gewonnene Organismen sind genetisch veränderte Organismen. Sie unterliegen daher grundsätzlich den Vorgaben der europäischen GVO-Richtlinie zur Gentechnik, wie am Mittwoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschied. Ausgenommen sind danach allerdings mit herkömmlichen Mutagenese-Verfahren gewonnene Organismen, die bereits seit langem als sicher gelten.

Mit "Mutagenese" werden alle Verfahren bezeichnet, die es, anders als die Transgenese, ermöglichen, das Erbgut lebender Arten ohne Einführung einer fremden DNS zu verändern. In herkömmlichen Mutagenese-Verfahren wurden dabei ganze Organismen besonderen Bedingungen ausgesetzt, um genetische Mutationen auszulösen, etwa UV- oder Röntgenstrahlen.

Proteste von Umweltschützern

Neuere Methoden ermöglichen Eingriffe in bestimmte Gene. Mit chemischen oder physikalischen Methoden können diese gezielt verändert und "umgeschrieben" werden. Hierzu gehört insbesondere die auch als Genschere bezeichnete Crispr-Technik. Umweltschützer fordern seit längerem vehement nicht nur in Frankreich, diese als Gentechnik einzustufen.

Mutagenese-Verfahren und insbesondere die Genschere sind auch bei Tieren und Menschen anwendbar. In dem nun entschiedenen Streit ging es allerdings um die Landwirtschaft, konkret in Frankreich. Ökologisch ausgerichtete Verbände wenden sich dort dagegen, dass Frankreich durch Mutagenese gewonnene Organismen von der GVO-Richtlinie ausgenommen hat. Dadurch drohe ihre unkontrollierte Ausbreitung, etwa von gegen bestimmte Mittel resistenten Pflanzen. Das zuständige Gericht in Frankreich legte den Streit dem Europäischen Gerichtshof vor.

Der betonte nun, dass "durch die Verfahren und Methoden der Mutagenese eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus vorgenommen wird". Daher gehörten die so gewonnenen Organismen "grundsätzlich in den Anwendungsbereich der GVO-Richtlinie". Diese Richtlinie aus 2001 regelt insbesondere die Freisetzung von GVO in die Umwelt.

Länder können kontrollieren

Letztlich machten die Luxemburger Richter aber einen Unterschied zwischen den herkömmlichen und den neuen Verfahren. Durch Erstere gewonnene Organismen würden häufig bereits länger angewendet werden und könnten daher bereits als sicher eingestuft werden.

Nach der GVO-Richtlinie seien in solchen Fällen auch durch Transgenese erzeugte Organismen von den Auflagen der Richtlinie ausgenommen. Dies gelte dann auch bei der Mutagenese. Den einzelnen EU-Staaten steht es aber frei, bestimmte Auflagen und Kontrollen einzuführen.

Bei der gezielten oder "ortsspezifischen" Mutagenese seien die Risiken dagegen vergleichbar mit denen der Transgenese. Die Wirkung sei letztlich die gleiche wie bei Einführung eines fremden Gens. Zudem ermöglichten die neuen Methoden "die Erzeugung genetisch veränderter Sorten in einem ungleich größeren Tempo und Ausmaß als bei der Anwendung herkömmlicher Methoden der Mutagenese".

So gewonnene Organismen unterlägen daher der GVO-Richtlinie, urteilte der Europäische Gerichtshof. Ein Ausschluss würde das Ziel der Richtlinie beeinträchtigen, "schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu verhindern". Dabei verwiesen die Luxemburger Richter auch auf das der Richtlinie zugrundeliegende "Vorsorgeprinzip". Zur Landwirtschaft entschied der EuGH zudem, dass durch Mutagenese gewonnene Sorten als "genetisch veränderte Sorten" gelten. Sie unterliegen daher auch weiteren EU-Vorschriften aus 2002 und 2003, die das Inverkehrbringen der so erzeugten Lebensmittel regeln, insbesondere auch deren Kennzeichnung.

Urteil des Europäischen

Gerichtshofs: Aktenzeichen C-528/16

Mehr zum Thema

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen

Möglicher Langzeiteffekt bei älteren Frauen

Supplementation von Calcium und Vitamin D könnte Krebsmortalität senken

Unabhängig vom BMI

Frauen mit Bauchspeck häufiger infertil

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen