Mega-Studie

Alles dreht sich um die Ballaststoffe

Deutlich seltener Herzkrankheiten, Tumoren und Diabetes: Je mehr Ballaststoffe, desto länger das Leben – und Vollkorn punktet gegen Darmkrebs. Das sagt die bislang wohl größte Studie zum Thema aus.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Trockenobst ist neben Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten besonders ballaststoffreich.

Trockenobst ist neben Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten besonders ballaststoffreich.

© photocrew / stock.adobe.com

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie viel Ballaststoffe sollten Erwachsenen täglich konsumieren?

Antwort: Bei 25–30 Gramm am Tag ist die Inzidenz von Darmkrebs, Diabetes und Herzkreislauferkrankungen um 15–30% geringer als bei einem Konsum von weniger als 15 Gramm.

Bedeutung: Eine ballaststoffreiche Ernährung könnte relevanten Volkskrankheiten vorbeugen.

Einschränkung: Kausaler Zusammenhang lässt sich nicht belegen, eine ballaststoffreiche Ernährung geht vermutlich mit einem insgesamt gesünderen Lebensstil einher.

DUNEDIN/ NEUSEELAND. Gegen die meisten Zivilisationskrankheiten gibt es offenbar ein simples Rezept: Mehr Ballaststoffe essen! Wer davon täglich zwischen 25 und 30 Gramm konsumiert, hat ein deutlich reduziertes Risiko von Herzkreislauferkrankungen, Darmtumoren sowie Diabetes – und lebt natürlich länger.

Ob Ballaststoffe tatsächlich für solche positiven Effekte ursächlich sind, kann die Auswertung sämtlicher relevanter Ernährungsstudien letztlich aber nicht belegen – es dürften wohl noch andere Inhaltsstoffe einer ballaststoffreichen Diät entscheidend sein.

Ernährungswissenschaftler um Dr. Andrew Reynolds von der Universität in Dunedin in Neuseeland konnten jedoch in ihrer Megaanalyse klare Dosiseffekte erkennen: Je mehr Ballaststoffe jemand konsumiert, umso geringer ist nach ihren Daten das Risiko für wichtige Zivilisationskrankheiten. „Dies deutet darauf, dass der Zusammenhang mit verschiedenen nicht übertragbaren Erkrankungen kausal sein könnte“, schreiben sie in ihrer Publikation im "Lancet" (doi: 10.1016/S0140-6736(18)31809-9) .

Sterberate um 15% reduziert

Für die Analyse haben die Forscher insgesamt 185 Publikationen zu prospektiven Beobachtungsstudien sowie Resultate von 58 randomisierten klinischen Untersuchungen ausgewertet. Die Beobachtungsdauer der prospektiven Studien summierte sich auf 135 Millionen Personenjahre, an den klinischen Studien nahmen zusammen über 4600 Personen teil. Die Forscher um Reynolds haben nur Studien berücksichtigt, in denen die Teilnehmer zu Beginn noch keine chronischen Erkrankungen hatten.

Alle Beobachtungsstudien mussten Angaben zur Menge und Qualität der konsumierten Kohlenhydrate machen, ebenso zur Sterberate, der Rate kardiovaskulärer Ereignisse oder der Inzidenz von Diabetes und Tumoren. Die klinischen Studien sollten die Auswirkungen von verzehrten Kohlenhydraten auf kardiovaskulär und metabolisch relevante Faktoren wie Blutdruck, Blutzucker und Blutfette prüfen.

Risikoreduktion in Zahlen

Verglichen die Forscher in den Beobachtungsstudien Teilnehmer mit niedrigem Ballaststoffkonsum (unter 15 g pro Tag) und solche mit relativ hohem Konsum (über 25 g), zeigte sich unter einer ballaststoffreichen Ernährung eine recht konsistente Risikoreduktion um 15–30% für wichtige Volks- und Tumorerkrankungen.

Die Gesamtsterberate von Teilnehmern mit vielen Ballaststoffen war im Laufe der Studien um 15 % geringer, die kardiale Sterberate um 31 % und die Schlaganfall-bedingte Todesrate um 22 %. Herzinfarkte und Schlaganfälle traten in der Gruppe mit ballaststoffreicher Ernährung jeweils um 24 % und 20 %, ein Typ-2-Diabetes um 15 % seltener auf. Darmtumoren wurden zu 16 % seltener beobachtet, die Darmkrebsmortalität war um 13 % reduziert.

Mit Ausnahme der KHK-Inzidenz scheinen die Effekte bei Ballaststoffmengen jenseits von 30 Gramm am Tag noch etwas ausgeprägter zu sein. So geht ein Verzehr von mehr als 40 Gramm am Tag mit einer um rund 40 % reduzierten Diabetesrate einher. Bei den anderen Krankheiten flachen die Ereigniskurven mit steigender Dosis jedoch deutlich ab, sodass ein Konsum von über 30 Gramm am Tag nur noch wenig zusätzlichen Nutzen zu bringen scheint.

Einen ähnlichen Zusammenhang fanden die Forscher mit Blick auf Vollkornprodukte – ein wichtiger Lieferant von Ballaststoffen. Zum Teil waren die Effekte hier bei hohem Konsum sogar noch stärker ausgeprägt, vor allem aber zeigte sich ein linearer Zusammenhang mit der Darmkrebsrate: je mehr Vollkorn, umso seltener Darmkrebs.

Glykämischer Index nur wenig aussagekräftig

In den randomisiert-kontrollierten Studien ließen sich durch eine ballaststoffreiche Ernährung Körpergewicht, Cholesterin-, Blutdruck- und Nüchternglukosewerte signifikant senken. Ähnliches wurde auch bei einer vollkornreichen Ernährung beobachtet. Dagegen gab es fast keinen Zusammenhang zwischen den untersuchten Krankheiten und dem glykämischen Index sowie der glykämischen Last.

Lediglich die Diabetes- und die Schlaganfallinzidenz war bei einem hohen Anteil leicht verdaulicher Kohlenhydrate geringfügig erhöht. Die Forscher um Reynolds schließen daraus, dass der Ballaststoffanteil mehr über die Qualität von Kohlenhydraten aussagt als der glykämische Index. Nach ihren Daten, die als Grundlage für WHO-Empfehlungen dienen sollen, halten sie einen Ballaststoffkonsum zwischen 25 und 30 Gramm am Tag für optimal, wobei ein höherer Konsum noch weitere Vorteile bringen dürfte.

Allerdings scheitern schon viele Menschen an einer 25-Gramm-Hürde: In den meisten Ländern liegt der Ballaststoffkonsum deutlich unter 20 Gramm am Tag, nur rund 10% schaffen 30 Gramm, geben die Studienautoren zu bedenken.

Was sollten wir essen?

Besonders ballaststoffreich neben Vollkornprodukten sind Hülsenfrüchte, mit der Schale verzehrtes oder getrocknetes Obst (Apfel, Birnen, Pflaumen, Aprikosen) sowie mit Schale gekochte Kartoffeln.

Ballaststoffe erhöhen das Sättigungsgefühl, verbessern den Glukose- und Insulinstoffwechsel und haltend eine günstige Darmflora am Leben. Sie produziert wichtige Vitamine, kurzkettige Fettsäuren und Immunmodulatoren, die nicht zuletzt auch an der komplexen Kommunikation zwischen Darm und Gehirn beteiligt sind, geben die Forscher um Reynolds zu bedenken.

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