Streit um schnelle Nutzenbewertung für Orphan Drugs

Die Koalition will Orphan Drugs von der Nutzenbewertung ausnehmen. Das fordern auch betroffene Patienten.

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Orphan Drugs: Schnelle Bewertung oder nicht? Die Lager sind gespalten.

Orphan Drugs: Schnelle Bewertung oder nicht? Die Lager sind gespalten.

© Hugh O'Neill / fotolia.com

BERLIN (HL). Wohl bis zum Ende wird über eine wichtige Ausgestaltung der Nutzen-Schnellbewertung gestritten, die mit einem Arzneimittelmarkt-Neurordnungsgesetz (AMNOG) eingeführt werden soll.

Die Frage ist, ob in die Bewertung auch Arzneimittel gegen seltene Krankheiten, sogenannte Orphan Drugs, einbezogen werden sollen. Als selten gilt eine Krankheit dann, wenn weniger als fünf von 10 000 Menschen betroffen sind.

Für die Zulassung von Arzneimitteln gibt es besondere Bedingungen: Erlass der Gebühren, beschleunigtes Verfahren, gegebenenfalls Verzicht auf randomisierte placebokontrollierte Studien. Ein wichtiges Charakteristikum: Oft gibt es überhaupt noch keine adäquate Therapie, also auch keinen Vergleichsstandard.

Aus diesen Gründen sieht ein Antrag der Koalitionsfraktionen vor, auf eine Nutzenbewertung bei Orphan Drugs zu verzichten.

Schleichende Indikationsausweitung

Dagegen machen der Gemeinsame Bundesausschuss, das IQWiG und die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft Front. Sie behaupten, der Nutzen von Orphan Drugs würde bei der Zulassung längst nicht so konsequent geprüft, wie es nach dem Wortlaut der europäischen Regelungen den Anschein habe.

Sie unterstellen vielmehr, dass Arzneimittelhersteller den Sonderstatus von Orphan Drugs gezielt ausnutzen. Beispiel Krebs: Zunächst werde bei der Zulassung ein so kleiner Indikationsausschnitt gewählt, das das Arzneimittel in den Genuss des Orphan Drug-Status kommt, um dann anschließend mit einer schleichenden Indikationsausweitung via Off-Label Use das Geschäft zu fördern.

Dem widerspricht ACHSE, die Selbsthilfegruppe der Patienten mit seltenen Erkrankungen. Tatsächlich müsse auch für Orphan Drugs der Zusatznutzen zu bereits bestehenden Therapien belegt werden.

Gelinge dies nicht, entfalle das Recht auf Marktexklusivität, das bereits vor der Zulassung erteilt wird und einen Anreiz zur Entwicklung von Orphan Drugs setzt.

Ferner werde das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei der Zulassung und in den dann folgenden Periodic Safety Update Reports fachlich geprüft. Die fortdauernde Anerkennung als Orphan Drug sei daher als Beleg für den Zusatznutzen hinreichend.

Kommt es zu offiziellen Indikationserweiterungen, dann könne der GBA dafür eine Nutzenbewertung einleiten, die Kassen einen Erstattungshöchstbetrag vereinbare.

In jedem Fall - auch bei einer schleichenden Indikationserweiterung durch Off Label Use - kann es passieren, dass der Hersteller den Orphan-Drug Status verliert.

Lesen Sie dazu auch: Koalition verteidigt Pläne zu Orphan Drugs

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