Ärzte rufen zu offenem Umgang mit Fehlern auf

Behandlungsfehler in Kliniken und Praxen sind die traurige Kehrseite der modernen Medizin. Um sie zu reduzieren, müssten Fehler und Beinah-Schäden gemeldet und ausgewertet werden, raten Experten. Das aber passiere bislang zu wenig.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Tatort Operationssaal: Experten sprechen von bis zu 17 000 Todesfällen wegen falscher Behandlung in Kliniken. © photos.com

Tatort Operationssaal: Experten sprechen von bis zu 17 000 Todesfällen wegen falscher Behandlung in Kliniken. © photos.com

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BERLIN. Der Präsident der Landesärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Andreas Crusius, hat Ärzte in Krankenhäusern und Praxen zu einem offeneren Umgang mit Fehlerereignissen in der Medizin aufgerufen. Noch immer würden Fehler und Beinah-Schäden von Ärzten zu wenig gemeldet, sagte Crusius beim Hauptstadtkongress vergangene Woche in Berlin. Das sei schon deshalb problematisch, weil sich Fehler der Zukunft nur vermeiden ließen, wenn aus Fehlern der Vergangenheit gelernt werden könne. Fehler seien leider auch in der Medizin unvermeidlich. "Wem nichts passiert, der hat wahrscheinlich nie gearbeitet."

Crusius regte an, die Zahl der Obduktionen an verstorbenen Patienten zu erhöhen. "Wenn wir Verstorbene obduzieren würden, hätten wir die beste Qualitätssicherung." Die Leichenschau sei ein "Spiegel ärztlicher Tätigkeit", sagte der Facharzt für Pathologie. "Aber das wird zu wenig getan, weil es nicht en vogue ist."

Der Präsident der Ärztekammer in Berlin, Dr. Günther Jonitz, sagte, mit der statistischen Erfassung und Verwaltung von Fehlerereignissen allein sei es nicht getan. Patientensicherheit setze eine gelebte Fehlerkultur in Kliniken und Praxen voraus. "Wir müssen wissen, warum es zu Fehlern gekommen ist", sagte Jonitz, der auch Geschäftsführender Vorstand des 2005 gegründeten "Aktionsbündnisses Patientensicherheit" ist. In dem Bündnis sind Vertreter der Gesundheitsberufe und verschiedener Patientenorganisationen vertreten. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Patientensicherheit zu verbessern.

Nach Angaben der Krankenkasse KKH-Allianz werden in Deutschland jedes Jahr rund 40 000 Behandlungsfehler geltend gemacht. Die häufigsten Behandlungsfehler würden sich bei Operationen am Hüft- oder Kniegelenk, bei Arm- und Beinbrüchen sowie bei Krebserkrankungen zutragen, sagte KKH-Allianz-Chef Ingo Kailuweit auf einer Dialogrunde seiner Kasse in Berlin. Fehlerursachen seien überfordertes Personal, eine hohe Arbeitsbelastung und mangelnde Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegekräften.

In Kliniken und Arztpraxen müssten endlich "verschärfte Sicherheitsvorkehrungen" Einzug halten, betonte Kailuweit. "Für jedes Flugzeug, für jedes Kernkraftwerk gibt es strengste Sicherheitsstandards, aber für die Behandlung am menschlichen Körper gelten diese nicht. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Operation am offenen Herzen."

Die derzeitige Fehlerkultur im deutschen Gesundheitswesen trage leider nicht zu einer lückenlosen Aufklärung von Fehlerquellen bei, sagte Kailuweit. Abhilfe könne ein "zentrales Melderegister für Behandlungsfehler" schaffen. An dieses Register könnten Ärzte Fehlerereignisse melden. Anschließend sollten diese auf Ursachen hin untersucht werden.

Auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patienten, Wolfgang Zöller (CSU), hatte sich zuletzt für ein bundesweites Fehlerregister in der Medizin ausgesprochen. Zöller hatte dafür zum Teil harsche Kritik von Ärztevertretern einstecken müssen, da diese Zwang hinter dem Register befürchten.

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