HIV / Aids

Epidemie weitet sich in Russland aus

Während weltweit die Zahl der HIV-Neu-Infektionen rückläufig ist, hat sich die Inzidenz in Russland binnen zehn Jahren auf zuletzt 100.000 Neuerkrankungen verdoppelt.

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BERLIN. "Äußerst besorgt" hat sich der stellvertretende Exekutivdirektor von UNAIDS Luiz Loures am Dienstag in Berlin über die sich ungebremst ausbreitende HIV- und Aids-Epidemie in Russland und Zentralasien geäußert. 80 Experten der Deutschen Aids-Hilfe, des Aktionsbündnisses gegen Aids und Brot für die Welt berieten über Maßnahmen der Politik und Selbsthilfegruppen bei einer Konferenz in Berlin. "Wir erleben in der Region zur Zeit eine Katastrophe", sagte Sylvia Urban vom Aktionsbündnis gegen Aids und von der Deutschen Aids-Hilfe.

Seit 2004 hat sich die Zahl der Neuinfektionen in Russland auf nunmehr über 100.000 nahezu verdreifacht. Zum Vergleich: Im gut halb so bevölkerungsreichen Deutschland liegt die Zahl der Neu-Infektionen bei 3200 pro Jahr und ist rückläufig.

Insgesamt sind in Russland nach Angaben des Moskauer Epidemiologen Vadim Pokrovsky mehr als 1,1 Millionen Menschen mit HIV registriert. Die Zahl der in der Summe angezeigten Todesfälle liege bei 244.000. Nach Daten der Statistikbehörde "Rosstat" starben allein 2016 18.577 Menschen an den Folgen von Aids.

Während weltweit Neu-Infektionen und Todesfälle rückläufig sind und die Kombination aus frühzeitiger Testung, Zugang zu modernen Arzneimitteln, Aufklärung und Prävention Wirkung zeigt, verschlechtert sich die Lage in Osteuropa und Zentralasien dramatisch. Als Gründe werden genannt:

- Verfolgung und Marginalisierung der am stärksten betroffenen Menschen. Drogenabhängige erhalten keine Substitutionstherapie, keine sauberen Spritzen und keine Möglichkeiten zur Schadensminimierung.

- Sexualität ist stark tabuisiert, Homosexualität wird staatlich bekämpft. Das verhindert Ansätze zu einer HIV-Prävention.

- Die internationale Finanzierung von Maßnahmen ist rückläufig, weil immer mehr Länder von der Weltbank als "middle income countries" klassifiziert werden und damit mehr Aufwendungen aus eigener Kraft leisten müssen.

- Die politischen Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliche Organisationen, die Zuwendungen aus dem Ausland erhalten, sind widrig. Sie kämpfen mit starken staatlichen Widerständen und Erschwernissen. In Russland müssten sich solche Organisationen als "Auslandsagenten" registrieren lassen, so Urban.

Die Organisationen fordern ein verstärktes politisches und humanitäres Engagement der Bundesregierung. Auch zum Schutz von Zentral- und Westeuropa: Unzureichende Behandlung von Tuberkulose in Osteuropa habe zu Resistenzbildungen geführt – das Gleiche könne auch bei HIV und Aids passieren, warnt Urban. (HL)

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