Patientensicherheit

Fehler führen zu enormen Folgekosten

Laut einer OECD-Studie entfallen 15 Prozent der Ausgaben und der Aktivitäten in Kliniken auf Folgen und Verstöße gegen die Patientensicherheit. Aktive Einbindung von Ärzten, Pflegekräften und Patienten verspricht deutliche Besserung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Eine angstfreie Arbeitskultur in den Kliniken hilft Fehler zu vermeiden, sind sich Experten sicher.

Eine angstfreie Arbeitskultur in den Kliniken hilft Fehler zu vermeiden, sind sich Experten sicher.

© auremar/Fotolia.com

BONN. Mängel bei der Patientensicherheit verschlechtern nicht nur die Versorgung und schaden den Patienten, sie verursachen auch beträchtliche Kosten. Das zeigt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die anlässlich des Zweiten Internationalen Ministergipfels zur Patientensicherheit in Bonn vorgestellt wurde.

Laut der Studie "The Economics of Patient Safety" entfallen in den OECD-Staaten 15 Prozent der Ausgaben und der Aktivitäten in den Kliniken auf die Folgen von Verstößen gegen die Patientensicherheit. Das sei eher eine konservative Schätzung, so die Autoren.

Hinzu kommen die volkswirtschaftlichen Schäden durch die Einschränkung der Leistungsfähigkeit und der Produktivität der Patienten sowie der Personen, die sich um sie kümmern. Neben den finanziellen Auswirkungen müsse auch der politische Schaden berücksichtigt werden, so die OECD: der Verlust des Vertrauens in die Gesundheitssysteme, die Regierungen und die sozialen Institutionen.

 Falsche oder verspätete Diagnosen

Die OECD geht davon aus, dass die Schädigung von Patienten durch die Behandlung an 14. Stelle der Ursachen für die weltweite Krankheitslast steht. Das entspricht vom Ausmaß her der Tuberkulose und der Malaria. In manchen OECD-Staaten entsprechen die Belastungen der durch chronische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder bestimmte Krebsarten.

Ein Großteil der Probleme ist auf eine Handvoll von Ereignissen zurückzuführen: nosokomiale Infektionen, venöse Thromboembolien, Druckgeschwüre, Medikationsfehler sowie falsche oder verspätete Diagnosen. Die Autoren verweisen auf eine Schätzung aus den USA, nach der jeder Erwachsene in dem Land mindestens einmal im Leben einen Diagnoseirrtum erfährt. In England entsprechen die jährlichen Kosten von unerwünschten Ereignissen den Ausgaben für 2000 Allgemeinmediziner oder 3500 Krankenschwestern.

Investitionen in eine höhere Patientensicherheit lohnen sich. Die Prävention von Behandlungsfehlern ist laut OECD deutlich günstiger als die Behebung der Folgen. In den USA sind zwischen 2010 und 2015 schätzungsweise 28 Milliarden Dollar (26 Milliarden Euro) durch eine systematische Verbesserung der Sicherheit eingespart worden. "Wir können es uns nicht leisten, nichts zu tun", betonte der britische Gesundheitsminister Jeremy Hunt auf dem Ministergipfel. In einer großen britischen Stadt sei die Rate von orthopädischen Infektionen in neun Kliniken untersucht worden.

Spannbreite von 0,2 Prozent bis 5,0 Prozent

Dabei ergab sich bei den Patienten, die eine Infektion erleiden, eine Spannbreite von 0,2 Prozent bis 5,0 Prozent, berichtete er. Die Behandlung einer solchen Infektion koste immerhin rund 100.000 Pfund (117.000 Euro). Der Blick auf die Kosten sei aber natürlich nicht alles, stellte Hunt klar. "Maßnahmen für die Patientensicherheit sind nicht nur eine ökonomische und eine klinische Notwendigkeit, sondern auch eine moralische Notwendigkeit."

Laut der OECD-Studie ist die aktive Einbindung von Ärzten, Pflegern und Patienten ein entscheidender Faktor für eine bessere Patientensicherheit. Die Arbeitskultur in den Kliniken spielt dabei eine entscheidende Rolle, bestätigte Dr. Victor Dzau, Präsident der National Academy of Medicine in den USA. "Jeder muss sich um das Thema kümmern, das kann man nicht befehlen."

Entscheidend sei, dass jeder Probleme ansprechen kann, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Ganz wichtig ist es nach Dzaus Erfahrung, Patienten über das Thema aufzuklären und sie zum aktiven Handeln zu motivieren. "Die Patienten sind Teil der Lösung, nicht des Problems", betonte er. Als Ergänzung der Checklisten für die Behandler hält Dzau Checklisten für Patienten für ein sinnvolles Instrument.

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