Transplantation

Millionen Euro mehr für mehr Organe

Bundesgesundheitsminister Spahn hat sich beim Thema Organspende klar für die Widerspruchslösung ausgesprochen. Um den Abwärtstrend bei den Spenderzahlen zu stoppen, will er rund 35 Millionen Euro pro Jahr mehr in die Strukturen der Organentnahme in Kliniken investieren.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Eine Niere wird implantiert. Krankenhäusern soll der Aufwand für die Organspende künftig besser vergütet werden.

Eine Niere wird implantiert. Krankenhäusern soll der Aufwand für die Organspende künftig besser vergütet werden.

© Geatan Bally / dpa

BERLIN. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Organspender in Deutschland erstmals unter 800. Nur 797 Spender wurden von der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) gezählt.

2011, dem Jahr, bevor der Organspendeskandal bekannt wurde, waren es noch 1200 Spender. Seither sind die Organspendezahlen kontinuierlich gesunken. Im ersten Halbjahr 2018 drehte sich der Trend bei 484 Spendern wieder leicht um (siehe nachfolgende Grafik).

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Ein nun von Gesundheitsminister Jens Spahn vorgelegter "Gesetzentwurf für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende" (GZSO) zielt vor allem darauf, den Krankenhäusern das wirtschaftliche Risiko von Organentnahmen zu nehmen:

»Die Freistellung der Transplantationsbeauftragten soll bundeseinheitlich geregelt werden. Bislang sei sie in den Ländern uneinheitlich, begründet das Ministerium diesen Schritt.

Den 1246 Entnahmekrankenhäuser sollen die tatsächlichen Aufwendungen für die Freistellung ersetzt werden. Zudem sollen die Transplantationsbeauftragten uneingeschränktes Zutrittsrecht auf die Intensivstationen erhalten. Der Beauftragte soll bereits eingeschaltet werden, bevor bei einem Patienten der Hirntod eintritt.

Keine Pauschale mehr

»Die vollständige Refinanzierung der Transplantationsbeauftragten durch die Kassen soll nach Berechnungen des Ministeriums mit Mehrkosten von rund 24 Millionen Euro im Jahr zu Buche schlagen.

»Bislang erhalten die Krankenhäuser für die Entnahme von Organen eine Pauschale. Die soll sich künftig am tatsächlichen Aufwand für jeden einzelnen Prozessschritt einer Organspende orientieren.

Entscheidender dürfte sein, dass der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen will, dass eine Organentnahme eine im Krankenhaus schwer im Voraus zu planende Aktion darstellt.

Ein OP-Saal und erfahrene Ärzte müssen dann kurzfristig aus dem normalen Ablauf genommen werden. Das soll die bisherige Praxis strategieanfällig machen, heißt es in Branchenkreisen.

Der Ausgleich für diese Positionen soll daher auf das Dreifache der aktuellen Fallpauschale steigen. Für 2018 sind bisher fünf Millionen Euro angesetzt. Künftig soll dieser Posten auf mehr als 15 Millionen Euro im Jahr steigen.

Neurologischer Konsiliardienst soll eingerichtet werden

»Jederzeit sollen künftig qualifizierte Ärzte bereitstehen, um auf Anfrage einer Klinik den Hirntod eines Patienten festzustellen. Diesen neurologischen Konsiliardienst soll die Bundesärztekammer mit dem GKV-Spitzenverband, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der PKV bis zum 31. Dezember 2019 errichten.

»Bislang werden Leistungen von Konsiliarärzten zur Feststellung des Hirntods mit 171 Euro je transplantiertem Organ vergütet. Für 2018 ist ein Betrag von 484.000 Euro vorgesehen. Das Ministerium geht davon aus, dass der geplante neurologische Bereitschaftsdienst mehr kosten dürfte.

»Der Wille, Organe zu spenden, ist in der Bevölkerung vorhanden. "Immer mehr Menschen haben einen Organspendeausweis", hat Spahn festgestellt. Mit seinem Gesetzentwurf will der Minister diese Potenziale heben.

 "Wir müssen alles versuchen, dass die Zahl der Organtransplantationen wieder steigt", begründete er den Vorstoß. Dem Minister liegen die mehr als 10.000 Menschen in Deutschland auf der Seele, die auf ein Spenderorgan warten, oft vergeblich.

Spahn für Widerspruchslösung

»Das Ministerium hat auf eine Grundsatzentscheidung verzichtet. Vorerst bleibt es dabei, dass Organspender ausdrücklich eine Zustimmung zur Organentnahme im Falle des Hirntodes gegeben haben müssen.

Eine Widerspruchslösung, nach der jeder als Organspender gilt, der nicht ausdrücklich widersprochen hat, ist damit nicht vom Tisch. Die aufzurufen soll aber einem Gesetz aus der "Mitte des Bundestages" vorbehalten bleiben. Dazu werden fraktionsübergreifende Entwürfe erwartet.

Der Bundesgesundheitsminister selbst hat sich klar für die Widerspruchslösung ausgesprochen. „Nur so kann die Organspende zum Normalfall werden“, sagte Jens Spahn der „Bild“-Zeitung (Montag).

Eine solche Neuregelung stelle zwar einen Eingriff des Staates in die Freiheit des Einzelnen dar, sagte Spahn. Doch seien alle bisherigen Versuche der Politik, die Zahl der Organspender zu steigern, leider ohne Erfolg geblieben. „Deshalb brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte über die Widerspruchslösung.“

SPD-Fraktions-Vize Professor Professor Karl Lauterbach sieht das ähnlich: Ohne die Widerspruchslösung werde die Zahl der Organspender nicht weiter steigen. "Sie ist notwendig, um viel Leid abzuwenden", sagte er im Interview mit der "Passauer Neuen Presse".

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