Zuckerreduktionsstrategie

Aufklärung alleine verpufft

Nicht nur zu Ostern locken stark zuckerhaltige Lebens- und Genussmittel zum Verzehr. Laut DONALD-Studie liegt der Zuckerverzehr gerade bei Kindern und Jugendlichen noch immer über der WHO-Empfehlung. Forscher sehen hier die Politik in der Pflicht.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Schoko-Hasen und Schokoladen-Eier sind an Ostern wieder gefragt.

Schoko-Hasen und Schokoladen-Eier sind an Ostern wieder gefragt.

© and.one / stock.adobe.com

NEU-ISENBURG. In die Debatte um die umstrittene, vom Bundeskabinett kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres verabschiedete „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) kommt wieder Schwung.

Im Fokus stehen diesmal Kinder und Jugendliche, da in diesem Alter der Weg für den Zuckerkonsum im Erwachsenenalter geebnet wird. Nach Ansicht der Ökotrophologin Dr. Ute Alexy von der Universität Bonn wird es jedoch nicht ausreichen, Kinder und Jugendliche über die negativen Auswirkungen einer hohen Zuckerzufuhr nur aufzuklären.

Vielmehr müssten mehrere „ernährungspolitische Maßnahmen“ zur Verringerung des Zuckerzusatzes abgestimmt und kombiniert werden, so Alexy.

Das deutet darauf hin, dass die Wissenschaftlerin der DONALD-Studie (DOrtmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed Study), die Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie alleine nicht für zielführend hält. Mit der von Klöckner eingetüteten Strategie sollen die Zucker-, Fett- und Salzgehalte in bestimmten Nahrungsmitteln bis 2025 reduziert werden.

Auch die Verbraucherschutzorganisation foodwatch und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisierten den Plan als ungenügend. Die DDG sagte im Februar sogar die Teilnahme an der Auftaktsitzung des Begleitgremiums zur nationalen Reduktionsstrategie ab.

Freien Zucker im Visier

Wie eine nun veröffentlichte neue Auswertung der DONALD-Studie zeigt, ist der Zuckerkonsum bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland seit 2005 zwar rückläufig, liegt aber mit 16,3 Prozent der Tagesenergieaufnahme weiterhin über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO (Eur J Nutr 2019; online 11. April).

Dafür wurden zwischen 1985 und 2016 die Daten von insgesamt 1312 Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 18 Jahre untersucht. Da eine hohe Zuckerzufuhr mit einem höheren Risiko für verschiedene Krankheiten wie Karies, Übergewicht und Adipositas sowie des Herzkreislaufsystems in Verbindung gebracht wird, begrenzte die WHO 2015 die Zufuhrempfehlung für freien Zucker auf maximal zehn Prozent der Tagesenergieaufnahme.

Als freier Zucker wird dabei der Zucker in der Nahrung verstanden, der vom Hersteller oder bei der Zubereitung im Haushalt zugefügt wird oder der natürlich in Säften enthalten ist.

Der Gesamtzucker berücksichtigt dagegen den kompletten Zuckergehalt eines Lebensmittels einschließlich des natürlich enthaltenen Zuckers. 2018 hat sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) der WHO-Empfehlung angeschlossen.

Tatsächlich noch höheren Konsum vermutet

Ökotrophologin Alexy macht bezüglich der Verbindlichkeit der im Zuge der DONALD-Studie gemessenen Werte allerdings eine Einschränkung.

Da die Studienteilnehmer aus Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status kommen, liege die Zuckerzufuhr in der Gesamtbevölkerung in Deutschland vermutlich noch deutlich höher, heißt es von Uniseite.

Weitere Ergebnisse: Auch das Alter hatte einen Einfluss auf den Konsum an Süßem. So habe der Gesamtzuckeranteil an der Energiezufuhr mit zunehmendem Alter abgenommen. Dagegen sei bei den jüngsten Probanden im Alter von drei bis vier Jahren die niedrigste Zufuhr an zugesetzten Zuckern zu verzeichnen gewesen.

„Wir vermuten eine Verschiebung der Zuckeraufnahme aus natürlichen Quellen wie Obst und Fruchtsäften mit steigendem Alter hin zur verstärkten Zuckeraufnahme aus Süßigkeiten, Getränken und gesüßten Milchprodukten“, verdeutlicht Ines Perrar, Doktorandin an der Universität Bonn. „Dies soll anhand weiterer Analysen untersucht werden“, ergänzt sie.

Die Bonner Wissenschaftlerinnen erforschen derzeit, ob der Rückgang des Verzehrs spezieller Lebensmittelgruppen für die Abnahme der Zuckeraufnahme verantwortlich ist und ob die Trendanalysen anhand der Nutzung eines Biomarkers bestätigt werden können.

Label soll aufklären

Um die Verbraucher über den Zuckergehalt in Lebensmitteln aufzuklären, hat sich die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag auf die Einführung eines zielführenden Kennzeichnungssystems geeinigt. Ernährungsministerin Klöckner hat sich allerdings noch nicht für ein bestimmtes System entschieden.

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