Welt-Psoriasistag 2018

Ungleiche Versorgung bei Schuppenflechte

In der medikamentösen Versorgung von Patienten mit Schuppenflechte gibt es zu viele regionale Unterschiede, monieren Ärzte und Wissenschaftler anlässlich des Welt-Psoriasis-Tags. Ein Grund ist die Angst vor Regressen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Ein Patient mit Psoriasis: Ärzte bemängeln, dass es starke regionale Unterschiede in der medikamentösen Therapie gibt.

Ein Patient mit Psoriasis: Ärzte bemängeln, dass es starke regionale Unterschiede in der medikamentösen Therapie gibt.

© Farina3000 / stock.adobe.com

HAMBURG. Zum Welt-Psoriasis-Tag am 29. Oktober haben Patienten, Ärzte und Wissenschaftler in Hamburg auf die Stigmatisierung von Betroffenen hingewiesen und Versorgungslücken kritisiert.

Es gab aber auch positive Botschaften: „Unter dem Strich gibt es Verbesserungen in der Versorgung“, sagte Dr. Ralph von Kiedrowski vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVVD).

Kiedrowski erläuterte, warum ein vom Bundesgesundheitsministerium gefördertes Projekt gegen die Stigmatisierung von Menschen mit chronischen sichtbaren Hauterkrankungen notwendig ist: Wissenslücken und Vorurteile in der Bevölkerung zum Thema Psoriasis sind noch immer groß.

Viele werden offenbar wegen Psoriasis gemobbt

Laut Umfragen würden 20 Prozent der Deutschen mit einem von Schuppenflechte Betroffenen nicht ins Schwimmbad gehen. Viele halten Schuppenflechte für ansteckend und wissen nicht, dass es medikamentöse Therapien gibt.

Ärzte berichten dem Verband, dass sie von Betroffenen nach Attesten gefragt werden, weil sie wegen der Erkrankung auf dem Arbeitsplatz gemobbt werden. Kindertagesstätten verlangen von Eltern betroffener Kinder Atteste, dass keine Ansteckungsgefahr besteht.

Betroffene Schüler ziehen sich auf der Toilette um, damit ihre Schuppenflechte in der Umkleidekabine nicht thematisiert wird.

Gegensteuern soll eine Kampagne unter der Dachmarke „in meiner Haut“.

Kiedrowski hält aber auch eine bessere Ausbildung an den Universitäten und eine sorgsame Wortwahl in den Arztpraxen für notwendig, um Betroffene nicht unbewusst zu verletzen.

Erhebliche Schieflage ausgemacht

Der Geschäftsführer des Deutschen Psoriasis-Bundes (DPB), Hans-Detlev Kunz, kritisierte eine „erhebliche Schieflage in Deutschland beim Zugang zu den erforderlichen Therapien“.

Als Ursache hat er „weitgehend intransparente Versorgungsverträge“ in den einzelnen KVen und die Wirtschaftlichkeitsprüfungen ausgemacht.

Ärzte sieht er in einem Spagat zwischen Sparzwang und angemessener Versorgung. Um solche Zustände zu ändern, hält Kunz ein stärkeres Gewicht der Patienten im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) für notwendig.

Sein Eindruck: Deutschland verfüge über ein „chronisch schlecht organisiertes Gesundheitswesen“, in dem die Patienten „dumm gehalten“ werden.

Regressangst sorgt für regionale Unterschiede in Arzneitherapie

Deutlich wurde in Hamburg, dass auch unter Ärzten wenig Verständnis für die starken regionalen Unterschiede in der medikamentösen Therapie herrscht – „bei gleicher Ausbildung der Ärzte, bei gleichem Bedarf“, wie Professor Matthias Augustin vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) betonte.

In Bundesländern, in denen zurückhaltender verordnet wird, beobachten die Ärzte eine deutlich größere Regressbedrohung und schärfere Prüfungen.

„Aus Angst vor Regressen besteht kein gleicher Zugang zur medikamentösen Therapie“, sagte Professor Ulrich Mrowietz, Leiter des Psoriasis-Zentrums am Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel.

Er appellierte außerdem an die Industrie, ihre Bemühungen um Innovationen für die topische Therapie zu verstärken. Deutlich besser beurteilt er die Situation zwar in der systemischen Therapie.

Nur: Die Hürden, diese auch anwenden zu dürfen, sind in Deutschland hoch. Patienten, deren Psoriasis als „leicht“ eingestuft wird, sind davon ausgeschlossen. Mrowietz sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, „Upgrade“-Kriterien anzuwenden.

Hoffnung Telemedizin

Augustin ist dennoch optimistisch, dass sich die Versorgungslage in Deutschland weiter verbessert. Als „Game-Changer“ schätzt er die Telemedizin ein – von ihr erwartet er massive Fortschritte etwa durch Videosprechstunden.

„Telemedizin wird unser eigenes Handeln massiv verändern und dazu führen, dass wir uns verbessern“, prognostizierte Augustin.

Grund für seinen optimistischen Ausblick: Das Expertenwissen der Ärzte wird mit Hilfe der Telemedizin mehr Betroffenen zugänglich gemacht.

Lesen Sie dazu auch: Mehr als nur Schuppen: Psoriasis kommt selten allein Große Wissenslücken: Mehr Aufklärung bei Psoriasis nötig!

Mehr zum Thema

Analyse von Sterblichkeitsdaten

Lebenserwartung: Deutschland fällt weiter zurück

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Inkretinmimetika

GLP-1: Wie aus dem kleinen Hormon ein Rockstar wird

Risikoanalyse

Komplikation nach Hernien-Operation: Wer ist gefährdet?

Lesetipps
Mehrkosten für die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung seien Investition in den Erhalt der Praxen, betont Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. 

© Michael Kappeler / dpa

Kabinett winkt GVSG durch

Lauterbach macht Hausarztpraxen Mut: „Jede Leistung wird bezahlt“

Brücke zwischen zwei Steilklippen. Auf der Brücke stehen zwei Menschen.

© Usman / stock.adobe.com

Aktuelle Forschung

Antikörper – die Verkuppler der Krebsmedizin

Heiße Nächte können nicht nur nervig sein. Sie gehen auch mit einem höheren Risiko für Schlaganfälle einher, so das Ergebnis einer Studie aus München und Augsburg.

© samuel / stock.adobe.com

Studie mit Daten zu 11.000 Schlaganfällen

Tropische Nächte sind offenbar ein Risikofaktor für Schlaganfälle