Große Wissenslücken

Mehr Aufklärung bei Psoriasis nötig!

Jeder zehnte Bundesbürger hält Schuppenflechte für ansteckend. Falsche Vorstellungen wie diese und große Wissenslücken fördern die Stigmatisierung der Erkrankten.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Schuppenflechte: Während Deutschland in der Versorgung von Psoriasis-Patienten vielen anderen Ländern weit vorau ist, gibt es in Sachen Aufklärung noch großen Nachholbedarf.

Schuppenflechte: Während Deutschland in der Versorgung von Psoriasis-Patienten vielen anderen Ländern weit vorau ist, gibt es in Sachen Aufklärung noch großen Nachholbedarf.

© Farina3000 / stock.adobe.com

NEU-ISENBURG. Rund zwei Millionen Menschen in Deutschland sind von Psoriasis betroffen. Es gibt zwar positive Fortschritte in der öffentlichen Wahrnehmung der Erkrankung, dennoch hält fast jeder zehnte Bundesbürger Schuppenflechte für ansteckend.

Ein Viertel würde einem Betroffenen nicht die Hand schütteln. Fast 40 Prozent würden nicht gemeinsam mit einem Betroffenen ein Schwimmbad besuchen. Und eine Partnerschaft mit einem Betroffenen würde auch nur rund die Hälfte eingehen.

Die Daten stammen aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Berufsverbands Deutscher Dermatologen (BVDD), der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), des Competenzzentrums Versorgungsforschung in der Dermatologie (CVderm) und den regionalen Psoriasisnetzen (PsoNet).

Für die Erhebung wurden Anfang Oktober 2017 über 2000 deutschsprachige Personen ab 18 Jahren befragt (Der Deutsche Dermatologe 2018; 66 (2):116ff).

Nur ein Viertel kennt die Psoriasis

Dabei zeigt sich, dass vor allem die Krankenkassen und die Politik mehr in Sachen Aufklärung tun könnten. Nur ein Viertel der Befragten hat schon einmal von der Erkrankung "Psoriasis" gehört, in der Umfrage ein Jahr zuvor waren es noch 29 Prozent. Der deutsche Begriff Schuppenflechte war immerhin 84 Prozent bekannt (2016: 86 Prozent).

Auch, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits im Jahr 2014 Psoriasis zu einer von fünf schwerwiegenden nicht übertragbaren Krankheiten erklärt hat, wissen nur 14 Prozent.

Dies obwohl die WHO ganz klar von den Mitgliedsstaaten fordert, Maßnahmen zur Minderung von Stigmatisierung und für eine bessere Aufklärung über die Erkrankung zu ergreifen.

Doch nach wie vor läuft der Informationsfluss hauptsächlich über Betroffene im näheren Familien- oder Freundeskreis: Von den Befragten, die schon einmal von Psoriasis bzw. Schuppenflechte gehört hatten, gaben 46 Prozent an, dass eben dies über Familienangehörige, Freunde oder Bekannte geschehen sei.

Knapp ein weiteres Drittel hatte über Medien von der Erkrankung erfahren. Als dritte Infoquelle folgten Haus- und Hautärzte (13 Prozent). Schlusslicht waren die Krankenkassen: Nur sieben Prozent gaben an, von ihrer Kasse Informationen erhalten zu haben.

Wie wichtig ein stärkeres Engagement von Kassen und Politik ist, belegt auch, dass trotz großer medialer Präsenz von Patientenorganisationen oder den regionalen Psoriasisnetzen nur drei Prozent der Befragten die Kampagne "Bitte berühren" kannten, vom Weltpsoriasistag hatten lediglich sechs Prozent gehört.

Gesetzgeber will aktiv werden

Sozialwirtschaftliche Komponente

  • Mit 1.050.660 verlorenen Jahren eines gesunden Lebens beziffert die WHO die weltweite Krankheitslast der Schuppenflechte (Berechnung nach der Global Burden of Disease Studie aus dem Jahr 2010 in DALY (disabilty-adjusted life year)). "Dies ist doppelt so hoch wie für die akute Hepatitis C", heißt es.
  • 4,9 Arbeitstage pro Jahr fehlen deutsche Psoriasis-Patienten im Schnitt wegen ihrer Erkrankung.
  • Auf 11,5 Milliarden US-Dollar belaufen sich nach Schätzungen die jährlichen Kosten der Psoriasis allein in den USA (Globaler Bericht zur Schuppenflechte der WHO, 2016)

Die Umfrage belegt zugleich, dass das Wissen um die Erkrankung vom Bildungsniveau abhängt: Den Fachterminus "Psoriasis" kannten 31 Prozent der Umfrageteilnehmer mit Abitur und/oder Hochschulabschluss, aber nur zehn Prozent der Befragten mit Hauptschulabschluss.

Von Schuppenflechte hatten aber immerhin 74 Prozent der Befragten mit Hauptschulabschluss (versus 88 Prozent der Befragten mit Abitur/Studium) gehört. Die Mehrheit der Befragten (69 Prozent) stimmte zudem der Aussage zu, dass sich die meisten Menschen vor Schuppenflechte ekeln würden.

Immerhin konnte das im Herbst 2017 gegründete "Aktionsbündnis gegen Stigmatisierung" aber einen politischen Teilerfolg erzielen, wie Mario Gehoff vom Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf im "Dermatologen" schreibt: Das Bundesgesundheitsministerium habe zugesagt, sich an den Aktivitäten zu beteiligen und auf eine geeignete Gesetzgebung hinwirken zu wollen.

Ein Konzept für die Entwicklung von Interventionsmaßnahmen zur Entstigmatisierung von Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen sei bereits durch das Ministerium genehmigt. Dabei soll es während seiner Laufzeit bis 2020 auch finanziell unterstützt werden.

WHO lobt deutsche Dermatologen

Das ist auch deshalb ein wichtiger Schritt, weil sich in der Forsa-Befragung zeigte, dass nur jeder Zweite meint, gegen Schuppenflechte gebe es wirksame Medikamente.

Die große Mehrheit (90 Prozent) ist zudem davon überzeugt, dass die Erkrankung für Betroffene sehr belastend ist. Rund zwei Drittel meinen, dass auch Angehörige stark unter der Erkrankung leiden.

Trotz des Nachholbedarfs bei der öffentlichen Aufklärung: An anderer Stelle ist Deutschland Vorreiter. Im "Globalen Bericht zur Schuppenflechte" aus dem Jahr 2016 hebt die WHO die hiesigen Dermatologen als gutes Beispiel hervor: Zum einen leben die regionalen Psoriasisnetze bereits die von der WHO geforderte multiprofessionelle Versorgung von Psoriasis-Patienten, die andere Fachgebiete wie die Kardiologie oder auch Psychologie einbezieht.

Zum anderen gibt es mit PsoBest bereits ein Psoriasis-Register. Es erfasst die Daten von Patienten mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis, die erstmalig ein Biologikum oder Systemtherapeutikum verordnet bekommen. Betreiber sind CVderm, DDG und BVDD.

Jeder in PsoBest aufgenommene Patient wird über zehn Jahre beobachtet und von seinem Arzt in regelmäßigen Abständen nachuntersucht. Ziel ist es, Erkenntnisse über den Langzeitverlauf der Erkrankung zu erhalten.

Studien zur Komorbidität gefordert

Das entspricht einer der Hauptforderungen der WHO: Es gebe einen großen ungedeckten Forschungsbedarf in Epidemiologie, Ätiologie, Behandlung und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung, heißt es im WHO-Bericht.

Dabei müssten die Forschungsmethoden vereinheitlicht werden. Zugleich fordert die WHO, dass "unerfüllte Patientenbedürfnisse" stärker in den Fokus der Forschung genommen werden sollen. Ebenso sollten mehr Studien zu Begleiterkrankungen aufgelegt werden.

Die WHO stellt in ihrem Bericht aber auch klar, dass unter den Medizinern eine bessere Wissensvermittlung stattfinden muss: Hier sollten staatliche und nichtstaatliche Organisationen in der Aus- und Fortbildung Hand in Hand arbeiten.

Vor allem die Grundversorger sollten noch mehr für die Erkrankung sensibilisiert werden, damit die Diagnose möglichst früh gestellt und eine körperliche Beeinträchtigung bei den Betroffenen abgewendet werden kann. Ärzte sollten in der Therapie zudem auf Zielvereinbarungen mit ihren Patienten setzten, rät die WHO, das soll die Therapietreue erhöhen.

Lesen Sie dazu auch: Mehr als nur Schuppen: Psoriasis kommt selten allein Welt-Psoriasistag 2018: Ungleiche Versorgung bei Schuppenflechte

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