Neu im Team

Wie Physician Assistants im Job ankommen

Bewährt sich ein auf dem Papier geschaffener Gesundheitsberuf in der Praxis? Nach dem Studium schwärmen die „Arztassistenten“ in die Kliniken aus. Absolventin, Ausbilder und Chefarzt ziehen Bilanz.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Ob im OP oder bei der Arbeit auf Station: Immer mehr Physician Assistants arbeiten in Kliniken.

Ob im OP oder bei der Arbeit auf Station: Immer mehr Physician Assistants arbeiten in Kliniken.

© auremar - stock.adobe.com

NEU-ISENBURG. In den USA oder in europäischen Nachbarländern sind sie schon seit Jahren etabliert. Jetzt werden auch in Deutschland Physician Assistants (PA) an Kliniken langsam zu einer festen Größe.

An Vorschusslorbeeren seitens der Politik mangelt es den bundesweit noch wenigen hundert PA-Absolventen nicht. Beispiel Baden-Württemberg: Die Landesregierung sieht PA „als einen weiteren Baustein, die medizinische Versorgung auch im ländlichen Raum zu stärken. Die Arztassistenten, so das Sozialministerium, könnten gar „zu einer neuen Aufgabenverteilung in der Gesundheitsversorgung beitragen“.

Rückfrage bei der Carl Remigius Medical School in Köln, einer der sechs Hochschulen, die sich im Frühjahr zum neuen Deutschen Hochschulverband Physician Assistant (DHPA) zusammengeschlossen haben. Dort ist Professor Joachim Latsch der programmverantwortliche Dekan für den Bachelor-Studiengang PA. „Überaus positiv“ sei das Feedback, das er aus den Kliniken erhalte.

Dort würden PAs „gerne eingestellt und sind laut Aussagen der Chefärzte und ärztlichen Leiter sehr schnell ein integraler Bestandteil des Teams und dabei hervorragend qualifiziert“, sagt Latsch der „Ärzte Zeitung“. Die Medical School, an der der Arzt lehrt, gehört zum Fachbereich Gesundheit & Soziales der Hochschule Fresenius. Der BA-Studiengang dort ist auf acht Semester ausgelegt.

„Breite, fundierte Ausbildung“

Geteilt wird dieser Eindruck von Privatdozent Dr. Martin Lucke, Chefarzt der Abteilung Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Chirurgischen Klinikum München-Süd. Dort sind zwei PAs beschäftigt. Nach seiner Erfahrung haben die Arzt-Assistenten „eine breite, fundierte Ausbildung und können daher an die unterschiedlichsten Tätigkeiten herangeführt werden“.

Er sieht diese Mitarbeiter als „echte Bereicherung für das Team“. Ein PA unterstützt Stationsärzte und entlaste sie von vielen administrativen Tätigkeiten, ein anderer ist überwiegend im OP tätig, berichtet Lucke.

Jeanette Wischniowski, Absolventin des Physician Assistant-Studiengangs an der Carl Remigius Medical School.

Jeanette Wischniowski, Absolventin des Physician Assistant-Studiengangs an der Carl Remigius Medical School.

© Privat

Jeanette Wischniowski gehört zum ersten Jahrgang der PA-Absolventen an der Carl Remigius Medical School. Es gebe also keine Kollegen in den Kliniken, mit denen man verglichen werden könne, sagt die 25-Jährige der „Ärzte Zeitung“. Aus ihrer Sicht ist es „ein absoluter Vorteil, den Ruf eines neuen Berufsbildes mitbestimmen zu dürfen“.

Und da gibt es offensichtlich auch in Kliniken noch Informationsbedarf. „Wir als Bewerber mussten teilweise grundsätzlich Fakten zum Berufsbild erklären“, berichtet Wischniowski. Verdeutlichen mussten die Bewerber dabei auch, dass sie ein Studium absolviert haben und keine Ausbildung.

Bei den ersten praktischen Einsätzen vor zwei oder drei Jahren seien Kommilitonen durchaus noch auf Vorbehalte gestoßen, und zwar bei Ärzten und Pflegekräften, erinnert sich Wischniowski. Sie interpretiert dies aber nicht negativ: Es gehe wie bei jeder neuen Berufsgruppe darum, „unsere Fähigkeiten und Kompetenzen täglich unter Beweis zu stellen“. Seit November arbeitet sie als PA in der Unfallchirurgie und Orthopädie eines Krankenhauses.


Jeanette Wischniowski, Absolventin des Physician Assistant- Studiengangs, Carl Remigius Medical School.

Nicht überall werden die neuen Arztassistenten sofort als Bereicherung angesehen. So hat sich etwa der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe kritisch zum neuen Berufsbild geäußert. Durch das PA-Studium werde aus einer „hochqualifizierten Pflegefachperson eine ärztliche Assistentin, die ausschließlich delegierte Aufgaben wahrnehmen kann“, heißt es in einer Stellungnahme.

Studiendekan Latsch erwidert, den Hochschulen im DHPA-Verbund gehe es darum, durch Einbindung aller Berufsgruppen „erst gar keine Frontenbildung entstehen zu lassen“. Zudem gehe es in der „realen Welt“ ausschließlich um eine bessere Patientenversorgung. Seit Gründung des Hochschulverbands habe man daher mit vielen Berufsverbänden und ärztlichen Fachgesellschaften Kontakte geknüpft, berichtet er.

Selbstregulation soll es richten

Latsch bezweifelt, dass eine rechtliche Klarstellung des Berufsbilds PA durch den Gesetzgeber einen Mehrwert hat. Zwar könne ein fixiertes Berufsprofil die Erwartungssicherheit potenzieller Arbeitgeber erhöhen. Doch Latsch würde es bevorzugen, wenn die Etablierung des Berufsbilds „dem Arbeitsmarkt und somit der Selbstregulation“ überlassen bliebe.

Traditioneller Streitpunkt beim PA-Studium ist die Frage, ob die Bewerber zuvor einen Gesundheitsfachberuf erlernt haben sollen. Dies biete unter Umständen „Vorteile für das Lernverständnis während des Studiums“, sagt die PA-Absolventin Wischniowski. Für einen erfolgreichen Abschluss sollte dies ihrer Ansicht nach aber keine Voraussetzung sein.

„Die allgemeine Hochschulreife reicht vollkommen aus, um PA studieren zu können“, sagt sie. Auch Studiendekan Latsch sieht diese Forderung kritisch. Es spiele für die Akzeptanz einer PA im Job keine Rolle, ob er oder sie zuvor einen Gesundheitsfachberuf erlernt hat. Bedacht werde müsse auch, dass durch das PA-Studium ausgebildete Fachkräfte „wegqualifiziert“ würden. Und dies in Berufen, bei denen schon heute Absolventen fehlen.

Masterstudium als sinnvolle Option

Chefarzt Lucke dagegen hält es für „wünschenswert“, dass PAs zuvor einen Gesundheitsberuf erlernt haben. Damit liegt auf der Linie der Beschlüsse bei Deutschen Ärztetagen. Zuletzt im Mai hatten die Delegierten in Erfurt die Hochschulen dazu aufgerufen, den Zugang zum Studium nur aufbauend auf eine vorherige Ausbildung zuzulassen. Mit solchen sogenannten grundständigen Studiengängen sei „eine fundierte theoretische und praktische Ausbildung auf dem erforderlichen Niveau nicht möglich“, heißt es in der Entschließung.

PA-Absolventen wie Jeanette Wischniowski halten sich mit solchen Grundsatzdebatten nicht mehr auf. Sie hält Weiterbildung und ein auf den BA-Abschluss aufbauendes Master-Studium für sinnvoll, und zwar für die Absolventen wie für künftige Arbeitgeber. Aus ihrer Sicht gibt es in jeder Fachabteilung in Kliniken „Nischen, die durch einen PA gefüllt werden können“. Einsatzmöglichkeiten sieht sie beispielsweise in der Wundversorgung oder der Sonografie.

Sind die neuen Arztassistenten am Ende ein Eisbrecher, um auch die Frage der Substitution ärztlicher Leistungen neu zu verhandeln? Das bezeichnet Studiendekan Latsch als einen „spannenden Ansatz“. Die Erfahrungen mit PAs in anderen Ländern sowie mit Gesundheitsberufen hierzulande, die selbstständig medizinische Leistungen erbringen, ließen erkennen, „dass es perspektivisch ein Umdenken im Sinne einer Aufgabenneuverteilung geben kann“. Latsch ist allerdings auch sicher, dass dieser Prozess „nicht frei von Interessenkonflikten“ sein wird.

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