Noten für Krankenkassen - Transparenz für Patienten oder nur Racheaktion von Ärzten?

Was die AOK kann, das können wir schon lange: Das dachte sich Hausarzt Dr. Norbert Scholz. Er ist mit www.krankenkassenbewertung.net dem AOK-Arztbewertungsportal zuvor gekommen. Die Kassen halten die Benotungen für unseriös.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Noten für Krankenkassen - Transparenz für Patienten oder nur Racheaktion von Ärzten?

© Foto: Delphine Debressy www.fotolia.de

Vor einigen Wochen hatte die AOK mit ihren Plänen, ein Arztbewertungsportal im Internet aufzubauen, für Aufregung gesorgt. Dr. Norbert Scholz aus Krefeld hat den Spieß nun umgedreht. "Die Homepage hat nach wenigen Tagen schon über 3000 Besucher", freut er sich. Für ihn ein Zeichen, dass eine Krankenkassenbewertung im Internet längst überfällig war.

Und so funktioniert die Seite: Die Bewertung soll nach Ärzten, Patienten und Angehörigen getrennt vorgenommen werden. Entsprechend klickt der Besucher unter "Bewertung" auf "seinen" Link. Dort kann er aus einer Liste aller Kassen diejenige heraussuchen, die er bewerten will, und sie im Stile der Schulnoten "eins" bis "fünf" von "sehr gut" bis "nicht gut" benoten, seine E-Mail-Adresse angeben und einen Kommentar schreiben. Zusätzlich hat er die Möglichkeit, per Mausklick einen Fragebogen auszufüllen: "Ist bürokratisch"/ "... unbürokratisch" oder "informiert Patienten sachlich"/ " ... tendenziös" - und so weiter. Die Links für Patienten und Angehörige funktionieren entsprechend, bieten aber andere Kriterien bei den Fragebögen. Das Forum gibt Gelegenheit "Ihre kranke Kasse" zu bewerten, wie es in der Überschrift heißt.

Mit seinem Engagement ist Scholz nicht der Erste, der Krankenkassen per Web bewertet. Auch der Göttinger Urologe und Androloge Dr. Heribert Schorn hatte schon einen Anlauf genommen, wegen des großen Aufwandes aber abgebrochen. Er sieht Internetbewertungen als wesentlichen Teil seiner Öffentlichkeitsarbeit. "Als Dienstleister können Ärzte und Kassen durch solche Portale wirklich nach vorne kommen", meint Schorn, "das ist doch bei allen Produkten so".

In der Tat können Internetsurfer heute so ziemlich alle Produkte bewerten, von Bier über Massageöle bis zu Autoradios. Gibt man indes beim Bewertungsportal dooyoo "Krankenkassen" ein, erhält man eine Menge Literaturhinweise. Gibt man "Ärzte" ein, rauschen hundertfach Hinweise auf gepuderte Plastikhandschuhe, "Grey´s Anatomy" oder die "300 besten Ärztewitze" über den Bildschirm.

Eine sinnvollere Bewertung bietet das Klinikbewertungsportal "medmonitor", das auch die ärztliche Betreuung in den verschiedenen Abteilungen einer Klinik unterscheidet. "doc insider" indessen setzt auf direkte Arztbewertung. Längst sei die Bewertung per Mausklick als Genre eingeführt, so Ingo Horak, Geschäftsführer von docinsider. Deshalb führe langfristig kein Weg an der Kassenbewertung im Web vorbei: "Die Patienten brauchen Transparenz und Orientierung im Tarifdschungel. Weitere Kriterien, die ich mir vorstellen könnte, sind etwa: Wie leicht ist es für Patienten, in bestimmte Verträge hinein- und wieder hinauszukommen? Oder: Welche Kasse hat mit welchem Arzt welchen Vertrag?" Horak und sein Team seien noch "in der Konzeptionsphase", hieß es, in Zusammenarbeit mit Krankenkassen.

Die Bewertung von Kassen stand in der Tat aus. Allerdings ist die Gefahr der Verzerrung bei www.krankenkassenbewertung.net ebenso gegeben wie bei "docinsider" oder "medmonitor" - was der Initiator Norbert Scholz nicht bestreitet. So glänzt in dem Portal derzeit die AOK Bremen/Bremerhaven wegen der "super Produkte zum Geld sparen" und der "tollen Beratung" mit einer Eins bei der Bewertung durch Patienten. Die AOK in Niedersachsen muss dagegen mit dem Titel "schlimmste KK" Deutschlands leben, den ihr ein Arzt verpasst hat (Gesamtnote 3,75). Schlimmer hat es die AOK Nordschwarzwald getroffen. Sie hat sich durch eine einzige Bewertung ("ständig neue Generika. Verzweifelte Patienten") ein Fünf eingefangen.

Die Kassen sind von der Seite wenig erbaut, obwohl sie mit dem geplante AOK-Portal das gleiche Ziel anstreben: öffentlich verglichen und bewertet zu werden. "Aber wir planen zum Beispiel keine Freitextbewertungen und auch keine Bewertung ausschließlich von Patienten", sagt Christine Göpner-Reinecke vom AOK-Bundesverband. Die AOK setze auf eine Fragebogenstruktur und "vergleichbare Qualitätskriterien".

Arzt Norbert Scholz räumt ein: "Natürlich macht eine Bewertung erst Sinn, wenn viele Besucher ihre Meinung abgegeben haben." Ob alle kleinen Kassen genug Bewertungen für ein zuverlässigeres Bild auf sich vereinigen können? Da ist sich auch Scholz nicht sicher. "Aber bei der DAK, der Techniker oder der AOK können viele Bewertungen zusammenkommen und auf Dauer auch ein zuverlässiges Bild abgeben." Auch Urologe Heribert Schorn verteidigt die Online-Bewertungen der Kassen: "Viele Patienten sehen nicht, wie viele Kassen den Ärzten und damit den Patienten Ärger machen."

www.krankenkassenbewertung.net

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kritik, die keiner Ernst nimmt

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