Der Arbeitsfalle Telefon vorbeugen

Anrufe am laufenden Band: Für die meisten Hausarztpraxen ist das Alltag. Doch bereits mit wenigen Tricks lassen sich die Anrufe so steuern, dass weder Stress in der Praxis noch bei den hilfesuchenden Patienten entsteht.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Alle Leitungen glühen: Da ist es für MFA besonders wichtig, Gespräche mit gezielten Fragen kurz zu halten.

Alle Leitungen glühen: Da ist es für MFA besonders wichtig, Gespräche mit gezielten Fragen kurz zu halten.

© Klaus Rose

BAD ORB. Das Telefon ist eines der wichtigsten Arbeitsmittel in der Hausarztpraxis. Weil ein Großteil der Termine übers Telefon vergeben wird, dort die Dringlichkeit eines Arztbesuches abgeklärt werden kann - aber auch, weil übers Telefon Befunde besprochen werden.

Legen die Medizinischen Fachangestellten (MFA) am Telefon allerdings das Zepter aus der Hand, kann das technische Hilfsmittel schnell zum zeitraubenden Monstrum werden.

Wie sich das mit wenigen Tricks verhindern lässt, erklärte Praxisberaterin Katharina Hartig auf der diesjährigen practica in Bad Orb.

Stimmlage variieren

Ein gut geführtes Gespräch - und zwar eines, bei dem die MFA tatsächlich nicht die Führung aus der Hand gebe - fange bereits bei der Begrüßung an, sagte die Münchener Diplom-Psychologin.

Zuerst sollte der Patient wissen, mit welcher Praxis er es zu tun habe, dann folge der Name der MFA und dies so, dass der Patient den Namen der Medizinischen Fachangestellten auch von dem der Praxis unterscheiden könne.

Das ließe sich dadurch lösen, dass die MFA in verschiedenen Stimmlagen spreche. Der Vorteil einer am Ende der Begrüßung hochgezogenen Stimme: Der Stimmklang wirke automatisch freundlich und das "Guten Tag" könne die MFA dann sogar weglassen. Bei sehr kurzen Nachnamen helfe aber auch der Zusatz "meine Name ist".

Ein "Hallo" sollten sich die Praxismitarbeiter laut Hartig lieber verkneifen. Denn das wirke zu privat und lade förmlich zum Plappern ein.

Nach dem Namen fragen

Ebenso gehöre die Frage "Was kann ich für sie tun?" aus dem Sprachschatz der Praxis gestrichen. "Diese Frage hat sich zu einer Floskel entwickelt, die man von jedem Call-Center hört", so Hartig. Zudem sage der Patient schon von alleine, was die MFA für ihn tun könne.

Geht es um eine Terminvergabe, sollten die MFA ein paar Spielregeln beachten. Denn, "so wie Sie die Termine vergeben, laufen die nächsten Praxistage", sagte Hartig.

Regel Nummer eins lautet daher: Keinen Termin vergeben, bevor die MFA nicht weiß, wer am Telefon ist. Habe die MFA den Namen nicht gleich verstanden, solle sie ruhig noch einmal nachfragen, aber nicht mit "Ihr Name war?".

Weil das unhöflich klinge. Besser sei: "Wie ist Ihr Name bitte?" Oder die MFA bediene sich der so genannten saugenden Fragen: "Sie sind der Herr/ die Frau?"

Headsets lösen das Datenschutzproblem

Trotz der Datenschutzpflicht am Telefon sei es in Ordnung den Patientennamen zwei, drei Mal während des Telefonats zu nennen - sofern keine Behandlungsdetails oder Befunde besprochen würden. Doch die gehörten, mahnte Hartig, ohnehin nicht am Telefon besprochen falls andere Patienten mithören könnten.

Am besten sei es, das Telefon außerhalb des Empfangs - eventuell in einem extra Raum - zu platzieren. Sei dies in der Praxis, aus räumlichen oder organisatorischen Gründen, nicht möglich, sollte die Praxis mit einem Headset oder einem mobilen Telefon arbeiten, mit dem sich die MFA in einen anderen Raum zurückziehen könne, riet Hartig.

Ein Headset empfehle sich zudem in Praxen, wo häufig nur eine MFA arbeite, die sich gleichzeitig um Labor, Patientenannahme in der Praxis, Telefon etc. kümmern müsse. Dann könnte sie Anrufer zumindest kurz entgegennehmen und erklären, dass es noch einen kleinen Moment daure.

Jeder Anruf ein potentieller Notfall

Es gebe nichts schlimmeres als eine Hausarztpraxis, die für Patienten schwer erreichbar sei. Hartig: "Hausarztpraxen sind besonders wichtig, da sie die Erstversorgung vornehmen. Das heißt, das Telefon nicht einfach durchklingeln lassen, es könnte sich schließlich um einen Notfall handeln".

Gefährlich seien ISDN-Anschlüsse. Denn hier ertöne, sei der Anschluss bzw. seien die Geräte nicht richtig eingestellt, manchmal - obwohl alle Leitungen besetzt seien - dennoch das Freizeichen.

Aber zurück zum Datenschutz: Wenn andere Patienten mithören, sollten MFA vermeiden, die Beschwerdeschilderung des Patienten am Telefon zu wiederholen. Und auch Auskünfte zu Ehegatten und zum Teil Kindern von Patienten seien tabu.

Sei etwa eine Ehefrau eines Patienten resistent und wolle sie wissen, ob der Gatte noch in der Praxis ist, helfe die schlichte Antwort: "Wir haben eine Schweigepflicht zu erfüllen, dazu kann ich Ihnen keine Auskunft geben."

Geht es darum, wann ein Patient in der Praxis abgeholt werden kann, sollten sich die Medizinischen Fachangestellten von dem Patienten vor dem Arzttermin eine Einwilligung und am besten Namen und die Telefonnummer des zu Benachrichtigenden geben lassen.

Konkrete Vorschläge bremsen selbst Vielredner

Will ein Patient nicht so recht damit rausrücken, für was er den Termin benötigt, sollten MFA gezielt nachfragen. Bei bereits in der Praxis bekannten Patienten unterstütze die Praxis-EDV die MFA. Dann könnte die Frage helfen: "Geht es wieder um dasselbe wie das letzte Mal?"

Gut führen ließen sich Patienten aber auch mit folgender Formulierung: "Wenn Sie mir kurz sagen, worum es geht, kann ich Ihnen einen passenden Termin geben."

Zur Vorsicht mahnte Hartig mit der Frage "Um was geht es?". Die sei viel zu offen und lade förmlich zu ausschweifenden Erzählungen über die Krankheitsgeschichte ein.

Patienten, die gerne lange und viel erzählen, unterbreche man am besten in einer kurzen Atempause des Patienten mit einem Dankeschön und konkreten Vorschlägen: "Frau Müller, danke, dass sie mir das so ausführlich geschildert haben. Da machen wir Folgendes ..."

Ganz wichtig für die Terminvergabe ist nach Ansicht Hartigs aber auch, dass der Patient eine Wahlmöglichkeit hat: "Machen Sie immer zwei Terminvorschläge. Denn geben Sie nur einen Termin vor, geht die Diskusssion los `Nein, da kann ich nicht´."

Zusätzlich könnte die MFA bei ganz unentschlossenen Patienten Entscheidungsdruck aufbauen. Hartig: "Dafür reicht schon die einfache Frage: Soll ich den Termin nun eintragen oder brauchen Sie noch Zeit zum Überlegen?" Meist könnten sich die Patienten dann ganz schnell entscheiden.

Der Notfall am Telefon

Die große Schwierigkeit für MFA besteht darin, am Telefon einen echten Notfall zu erkennen. Hierzu müssten die Beschwerde-Schilderungen der Patienten genau einsortiert werden, erklärt die Münchener Praxisberaterin Katharina Hartig. Hartig rät, gemeinsam mit einem Notfalltrainer zu erörtern, welche Beschwerden unbedingt hellhörig machen sollten und auch, welche Fragen die MFA am Telefon stellen sollte. Das Ergebnis sollte eine gemeinsam erarbeitete DringlichkeitsCheckliste sein, die dann aber auch allen Praxismitarbeitern, die Telefonkontakt haben zugänglich sein sollte - sei es über die Praxis-EDV oder in ausgedruckter Form. (reh)

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