Versorgung

Klinik-Rezept soll Engpässe verhindern

Um Versorgungslücken an der Schnittstelle stationär-ambulant zu schließen, erhalten Klinikärzte mehr Spielraum bei Entlassverordnungen. Neben häuslicher Krankenpflege dürfen sie künftig etwa auch Arznei-, Heil- und Hilfsmittelrezepte ausstellen. Das entlastet auch die Hausärzte.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Geplante Entlassung kurz vor dem Wochenende? Dann können Klinikärzte künftig auch Rezepte mitgeben.

Geplante Entlassung kurz vor dem Wochenende? Dann können Klinikärzte künftig auch Rezepte mitgeben.

© G. Sanders / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Ins Entlassmanagement kommt langsam Fahrt. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber dieses sogar im SGB V (Paragraf 39, Abs. 1a) festgeschrieben. Und dort auch gleich ein Verordnungsrecht für Klinikärzte eingebaut. Allerdings, ohne konkrete Vorgaben zu machen.

Diese sollte, wie so oft, der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) nachliefern. Das hat er noch Ende Dezember 2015 getan: Gleich fünf Verordnungsrichtlinien hat er angepasst.

Und damit den Klinikärzten die Möglichkeit eingeräumt neben der bisherigen Verordnung von häuslicher Krankenpflege, im Rahmen des Entlassmanagements auch Arnzei-, Heil-, Hilfsmittel sowie Soziotheraphie zu verordnen.

Nur zur "Überbrückung"

Allerdings sind die Verordnungen an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und zeitlich befristet.

So ist vorab immer zu prüfen, ob tatsächlich eine Versorgungslücke entstehen könnte, weil der Patient etwa kurz vorm Wochenende entlassen wird und / oder aufgrund der körperlichen Verfassung nicht in der Lage ist, kurzfristig die Praxis des weiterbehandelnden Arztes aufzusuchen.

Es könne sich immer nur um eine notwendige Überbrückung bis zu weiteren Veranlassungen durch den behandelnden Arzt handeln, so Professor Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des GBA und Vorsitzender der Unterausschüsse Veranlasste Leistungen und Arzneimittel.

Wichtig für Vertragsärzte ist zudem, dass der GBA jeweils eine Infopflicht für die Klinikärzte eingebaut hat. Das heißt, sie müssen den weiterbehandelnden Arzt zeitnah über die Verordnung bzw. Therapie unterrichten.

Besonders streng sind hier die Auflagen bei der Arzneimittelverordnung. Insbesondere bei der Soziotherapie ist die Information für den Weiterbehandelnden aber auch deshalb wichtig, weil die Klinikverordnung beim Gesamtkontingent der Therapien angerechnet wird. Ein Blick in die einzelnen Richtlinien zeigt, worauf es ankommt:

Arzneimittel-Verordnung

- Folgt auf die Entlassung ein Wochenende oder Feiertag, muss der Klinikarzt prüfen, ob nicht die Mitgabe des Arzneimittels angesagt ist.

- Es darf nur die kleinste Verpackungsgröße (N1) verordnet werden und das Rezept muss innerhalb von drei Werktagen (einschließlich Samstag) in der Apotheke eingelöst werden, danach verliert es seine Gültigkeit.

- Der weiterbehandelnde Arzt muss sowohl über die bei Entlassung verordneten Medikamente, als auch deren Dosierung informiert werden.

- Hat der Klinikarzt Änderungen an einer bereits vor Aufnahme bestehenden und ihm bekannten Arzneitherapie vorgenommen, muss er diese dem Vertragsarzt darlegen und erläutern.

Heilmittel-Verordnung

- Klinikärzte dürfen Heilmittel für bis zu sieben Kalendertage verordnen.

- Die Therapie muss innerhalb von sieben Tagen nach dem Klinikaufenthalt aufgenommen und innerhalb von zwölf Tagen abgeschlossen werden.

- Zuvor getätigte vertragsärztliche Verordnungen muss der Klinikarzt nicht berücksichtigen. Aber auch für den weiterbehandelnden Arzt gilt: Er muss die Verordnungen des Klinikarztes bei der Betrachtung eines Regelfalls und der Bemessung der Verordnungsmenge nicht einbeziehen.

- Zeitnahe Info zur Verordnung an den weiterbehandelnden Arzt.

Hilfsmittel-Verordnung

- Auch hier kann eine Verordnung für bis zu sieben Kalendertage getätigt werden. Und sie verfällt wiederum, wenn sie nicht nach sieben Kalendertagen vom Patienten eingelöst wurde.

- Zeitnahe Info über die getätigten Verordnungen an den weiterbehandelnden Vertragsarzt.

Verordnung von Soziotherapie

- Es gilt wieder: Die Verordnung kann für sieben Kalendertage ausgestellt werden und verliert nach ebenso vielen Tagen ihre Gültigkeit, wenn sie nicht in Anspruch genommen wird.

- Der weiterbehandelnde Arzt ist zeitnah über die Therapie und die verordneten Einheiten zu informieren.

- Dabei muss der Vertragsarzt die durch den Klinikarzt verordneten Einheiten mit Blick auf den Gesamtverordnungszeitraum berücksichtigen.

Häusliche Krankenpflege

- Der Klinikarzt darf häusliche Krankenpflege für bis zu sieben Kalendertage nach der Entlassung verordnen.

- Damit eine nahtlose Anschlussversorgung möglich wird, muss er den weiterbehandelnden Arzt rechtzeitig über den Umfang der Verordnung informieren.

"Flexible und praxistaugliche Regelungen beschlossen"

"Wir haben in den einzelnen Bereichen flexible und praxistaugliche Regelungen beschlossen, die den Anforderungen des Einzelfalls gerecht werden", erklärt Hecken.

So könnten Hilfsmittel, wie Krankenbetten, die nicht der individuellen Anfertigung bedürfen, von der Klinik auch dauerhaft verordnet werden, um unnötige Belastungen der Patienten durch Neuverordnungen nach sieben Tagen zu vermeiden.

Hecken: "Dies sind Flexibilisierungen im Sinne der Intention des Gesetzgebers, der nicht nur Versorgungslücken schließen, sondern auch die Versorgung oft multimorbider Patienten an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung verbessern wollte."

Die Frage, auf welchem Formular die Klinikärzte ihre Verordnung ausstellen dürfen, müssen allerdings KBV, GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft noch klären.

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