Pharma-Selbstkontrolle

Wie viel Patientenservice ist den Firmen erlaubt?

Pharmafirmen setzten immer öfter auf persönliche Chronikerhilfen durch Schwesterndienste. Das entlastet Ärzte und kann der Therapietreue dienen. Wann industriegesponserte Patienten-Services an rechtliche Grenzen stoßen, ist aber noch unklar.

Von Ursula Jung Veröffentlicht:
Typische Zielgruppe für industriegesponserte, persönliche Unterstützung: Patienten, die regelmäßig Infusionen erhalten.

Typische Zielgruppe für industriegesponserte, persönliche Unterstützung: Patienten, die regelmäßig Infusionen erhalten.

© thinkstockphoto

BERLIN. Das Kürzel PSP steht für Patienten Support Programme – und die stehen aktuell auf der Agenda der Marketing- und Vertriebsabteilungen der Arzneimittelhersteller ganz oben. „Das Thema ist noch nicht auf dem großen Schirm der Politik gelandet“, so der CDU-Politiker und parlamentarischer Berater des Pharma-Selbstkontrollvereins AKG, Thomas Stritzl, in seinem Grußwort zur jüngsten Mitgliederversammlung des Vereins Anfang Mai in Berlin. Der AKG hat sich die Einhaltung von Compliance-Regeln in pharmazeutischen Unternehmen zur Aufgabe gemacht.

Die Arbeit des Vereins hat nach Ansicht seines Vorsitzenden Christoph Harras-Wolff, Geschäftsführender Gesellschafter des Bielefelder Arzneimittelherstellers Dr. August Wolff, „einen guten Teil dazu beigetragen“, dass Compliance nicht nur bei den Mitgliedsunternehmen, „sondern in der gesamten Gesundheitsbranche angekommen ist“. Harras-Wolff: „Compliance ist ein Pflichtthema auch für den Mittelstand“. Der Druck, Compliance-Regeln einzuführen, habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Die diesjährige Mitgliederversammlung widmete sich der „Patientenzentrierung in der Unternehmenspraxis“. Einigkeit herrschte in der Beurteilung von Patienten-Unterstützungsprogrammen als einer großen Chance für pharmazeutische Unternehmen, bei allerdings zugleich unsicherem Rechtsrahmen.

Hauptzielgruppe für persönliche Patientenservices sind chronisch Kranke. In einem Fachvortrag verwies der Münchener Rechtsanwalt Dr. Daniel Geiger auf Paragraf 7 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der unentgeltliche Zuwendungen und zusätzliche Services („Waren oder Leistungen“) verbietet.

“Service beyond the pill“

Die Rechtsprechung dazu, so Geiger, sei uneinheitlich. So sei etwa Hilfestellung bei intravenösen Arzneimittelanwendungen durch eine Krankenschwester in der Wohnung des Patienten rechtens. Jedoch würde die Hilfestellung im Falle einer oralen Medikation als unzulässig gewertet, da keine medizinische Notwendigkeit zur Unterstützung bestünde.

Grundsätzlich seien die Vorteile des „service beyond the pill“ für den Patienten, nicht für den Arzt gedacht, so Geiger. Die Leistung werde deshalb auch „nicht als Gegenleistung für die Verordnung, sondern als Folge der Verordnung bewertet“.

Damit wäre in diesem Zusammenhang zumindest die Korruptionsproblematik (§§ 299a und 299b Strafgesetzbuch) kein Thema. Allerdings warnt der Jurist vor inflationärer Patienten-Unterstützung. Entscheidend für solche Angebote seien ein sachlich sinnvoller Grund sowie eine medizinische Perspektive.

Marius Grosser, Geschäftsführer des Deutschen Psoriasis-Bundes, betonte die Notwendigkeit zur Patienten-Unterstützung, vor allem neue Therapien seien erklärungsbedürftig und zeitintensiv – Zeit, die im Praxisalltag vieler Ärzte fehle. Deshalb befürwortet auch Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender des Virchow-Bundes und Landesvorsitzender Hamburg des Berufsverbandes der HNO-Ärzte, den Patienten-Support. Damit lasse sich beispielsweise die Quote der Therapieabbrecher reduzieren.

So steht es im Gesetz

  • Paragraf 7 des Heilmittelwerbegesetzes regelt, inwieweit etwa im Pharmamarketing, im Pharmazwischenhandel oder bei der Medikamentenabgabe in Apotheken Zuwendungen erlaubt sind.
  • Danach ist es prinzipiell „unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen“.
  • Allerdings sieht der Paragraf auch Ausnahmen vor. Erlaubt sind unter anderem geringwertige Zugaben, Bar- oder Naturalrabatte auf OTC-Produkte, Werbegaben in Form von Auskünften oder Ratschlägen sowie Kundenzeitschriften.
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Praxisverwaltung

Doctolib bringt neues KI-PVS an den Start

Umstellung TI-Kryptografie von RSA auf ECC

Wechsel zu neuem eHBA: KBV bittet Netzagentur um Fristverlängerung

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung