Gesundheitspolitische Reizthemen

Bürgerversicherung reizt Delegierte beim DÄT zum Widerspruch

Bürgerversicherung und die mögliche Neuaufstellung der Krankenhausstrukturen waren die Reizthemen zum Auftakt des 124. Deutschen Ärztetages.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Sparen mit einer neuen Bürgerversicherung? Die duale Vergütungssystematik im Gesundheitssystem wurde beim Deutschen Ärztetag kritisch hinterfragt.

Sparen mit einer neuen Bürgerversicherung? Die duale Vergütungssystematik im Gesundheitssystem wurde beim Deutschen Ärztetag kritisch hinterfragt.

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Berlin. Zum Auftakt des 124. Deutschen Ärztetages waren sich die Abgeordneten des Ärzteparlaments weitgehend einig über den Leitantrag des BÄK-Vorstandes. In einem positiven Sinne: Der Antrag skizziere viele wichtige Entwicklungen und geißele zu Recht die zunehmende Kommerzialisierung, war die vorherrschende Meinung in der Diskussion, die erstmals in der Geschichte der Deutschen Ärztetage virtuell geführt werden musste.

Ein Reizthema gab es dann aber doch: Der Punkt „Duales Krankenversicherungssystem weiterentwickeln“ war mehreren Teilnehmern aufgestoßen. Die gegenwärtige Systematik aus GKV und PKV preiszugeben würde keine Probleme lösen, sondern eher neue schaffen, hat der Vorstand in den Antrag hineingeschrieben. Und: „Mit der Einführung der Bürgerversicherung drohen Rationierung, Wartezeiten und Begrenzungen des Leistungskataloges.“

BÄK soll „verbal abrüsten“

Das war einigen Diskutanten zu einseitig ideologisch. Die Ärzteschaft brauche nach einem möglichen Regierungswechsel im Herbst ihr wohlgesonnene Ansprechpartner in einer neuen Koalition. Mit der bisherigen Wortwahl zur Bürgerversicherung werde ihr das schwerfallen, sagte Neurochirurg Julian Veelken von der Ärztekammer Berlin.

Weitere von verschiedenen Sprecherinnen und Sprechern vorgebrachte Argumente waren, dass sich ein kausaler Zusammenhang zwischen schlechter Versorgung und Bürgerversicherung nicht begründen lasse. Die Bundesärztekammer müsse hier „verbal abrüsten“ und zu einer „sachlichen Diktion“ zurückkehren, forderte Allgemeinmediziner Dr. Detlef W. Niemann aus Hamburg. Es gebe einfach Probleme, wenn selbst gutsituierte Rentner ihre Beiträge nicht mehr bezahlen könnten. In einem Änderungsantrag wurde der Ärztetag zudem aufgefordert, das „klare Bekenntnis“ zum Dualen Finanzierungssystem aus dem Leitantrag zu streichen.

„Debatte ist schon einen Schritt weiter“

„Man kann über jede Formulierung sprechen“, stellte sich Rudolf Henke, Bundestagsabgeordneter und BÄK-Vorstandsmitglied den Kritikern. Er verwies darauf, dass die Kommission zur Überprüfung des Vergütungssystems ein Festhalten am Status quo empfohlen habe. Die Debatte sei also schon einen Schritt weiter.

Die Diskussionsstränge zu einer Krankenhausstrukturreform und zur Instrumentalisierung der Ärzteschaft für die kommerziellen Interessen privater Krankenhaus- und MVZ-Betreiber verwoben sich.

Die Corona-Pandemie habe klar die Vorteile einer flächendeckenden Krankenhausversorgung aufgezeigt, heißt es im Leitantrag. Eine der wichtigsten Lehren aus der Pandemie müsse daher sein, diese leistungsstarken Strukturen zu erhalten und auszubauen, statt sie auszudünnen und auf reine Kosteneffizienz zu trimmen. Der Ärztetag fordere daher von der Politik ein klares Bekenntnis gegen die zunehmende Kommerzialisierung im Gesundheitswesen.

Renditeorientierung als „Brandbeschleuniger“

„Der Budgettopf der Krankenhäuser hat ein Loch“, sagte Dr. Christoph Stork aus Hessen. Durch dieses Loch flössen die Renditen in Richtung Investoren ab. Die Renditeorientierung sei „Brandbeschleuniger“ bei der Zerstörung des Arzt-Patienten-Verhältnisses.

„Wir werden nach der Wahl deutlich die Ökonomen zu Strukturreformen in der stationären Versorgung sprechen hören“, sagte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna. Was tatsächlich gebraucht werde, sei eine bedarfsgerechte Versorgung, in der auch Vorhaltekosten eine Rolle spielen dürften.

Auch die Arbeitsbedingungen der Ärzte in Krankenhäusern und Praxen während der Pandemie kamen zur Sprache. Ärzte bräuchten psychosoziale Unterstützung, sagte Dr. Andreas Botzlar aus Bayern. Dass das System nicht als überlastet angesehen werde, liege vor allem an den „Playern, die viele Defizite durch persönlichen Einsatz überbrückten“, sagte Dr. Joachim Dehnst aus Westfalen-Lippe. Mehrere Sprecher forderten zudem mehr Anerkennung für die MFA. Sie hielten das Impfen am Laufen.

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