Gastbeitrag zum Hauptstadtkongress

Innovation ist kein Nice-to-have – sondern ein Muss

Die GKV-Ausgaben laufen völlig aus dem Ruder, der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung bleibt dazu aber vage. Vielleicht findet sich ja eine Koalition der Willigen – der Hauptstadtkongress bietet dazu wieder eine gute Gelegenheit.

Ein Gastbeitrag von Jens Scholz und Iris Hauth Veröffentlicht:
Ein Glühbirne aus zusammengeknülltem Papier

Ein Glühbirne aus zusammengeknülltem Papier

© Kenishirotie / stock.adobe.com

Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag 2025 einen klaren Fokus auf Innovations- und Forschungsförderung – auch im Gesundheitswesen. Sie beabsichtigt, besonderes Augenmerk auf Digitalisierung und Innovationsförderung zu setzen. Angesichts der großen Herausforderungen im Gesundheitssystem – etwa dem Fachkräftemangel, dem demografischen Wandel oder dem zunehmenden Kostendruck – und zugleich den Chancen durch technischen und medizinischen Fortschritt – wird deutlich: Innovationen sind eine zentrale Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsversorgung. Sie bilden eine entscheidende Grundlage für eine effiziente, qualitativ hochwertige und patientenzentrierte Versorgung.

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Der Koalitionsvertrag sieht daher vor, die strukturellen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Innovationen systematisch gefördert werden und gleichzeitig Bürokratie abgebaut wird. Die Notwendigkeit einer modernen, innovativen Gesundheitsversorgung wird betont. Schwerpunkte sind die Förderung digitaler Ansätze wie der elektronischen Patientenakte (ePA) und Telemedizin, aber auch zum Beispiel der Aufbau einer Nationalen Biobank zur Unterstützung personalisierter Medizin sowie der Abbau bürokratischer Hürden für Forschung und Innovation.

Digitalisierung und KI für eine effiziente Versorgung

Die Digitalisierung ist in der Gesundheitsversorgung längst zur zentralen strategischen Aufgabe geworden. Elektronische Patientenakte und KI-gestützte Prozesse sollen eine zunehmend personalisierte und effiziente Versorgung ermöglichen. Auch politisch ist das zentrale Ziel gesetzt, durch eine sinnvolle Integration digitaler Tools die Behandlungsgeschwindigkeit und -qualität zu steigern. In der Digitalpolitik sollen Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz und Robotik gezielt gestärkt werden.

In vielen Bereichen – wie Radiologie und Bildgebung, Kardiologie oder Onkologie – ist der Einsatz von KI bereits vorangeschritten, auch wenn weitere Fortschritte für eine umfassende Integration in den klinischen Alltag erforderlich sind. KI kann bei Diagnosen unterstützen, aber auch bei der Optimierung der Therapieplanung helfen. Durch eine gezielte Analyse können Muster und Zusammenhänge identifiziert werden, die eine individualisierte Behandlung ermöglichen. Politisch ist aktuell eine „KI-Offensive“ in Aussicht gestellt, auch mit Fokus auf Forschung und Hochschulen.

Iris Hauth

Iris Hauth

© Claudia Burger

Mit dem Digital-Gesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz sind bereits in der letzten Legislatur Grundlagen geschaffen worden, um das Potenzial von Gesundheitsdaten systematisch zu erschließen. Beide Gesetze markieren einen Paradigmenwechsel, denn sie schaffen den Rahmen für eine datengestützte, evidenzbasierte und innovationsfreundliche Gesundheitsversorgung.

Besonders die elektronische Patientenakte mit Opt-Out-Regelung kann dabei eine zentrale Rolle spielen – nicht nur für die Versorgung, sondern auch für die Forschung. Durch klare Regelungen und einen vereinfachten Zugang zu klinischen Routinedaten kann die medizinische Forschung auf eine neue, deutlich belastbarere Grundlage gestellt werden. Damit wird nicht nur der Erkenntnistransfer beschleunigt – auch der Weg von der wissenschaftlichen Evidenz zur Anwendung in der Versorgung kann künftig effizienter gestaltet werden.

Netzwerke als Strukturveränderer

Innovationen entstehen selten im Alleingang, sondern eher in Versorgungsstrukturen, die miteinander vernetzt sind. Übergreifende Netzwerke sind der Schlüssel, um Synergien zu nutzen und medizinische Innovationen schnell und flächendeckend verfügbar zu machen. Eine enge Verzahnung von Universitätsmedizin mit Kliniken der verschiedenen Versorgungsstufen wird maßgeblich hierzu beitragen.

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Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung für Regelungen für zukunftsweisende Ansätze wie Zell- und Gentherapien ausgesprochen. Ein „Innovationsfreiheitsgesetz“ soll zudem greifen und Forschung von kleinteiliger Förderbürokratie befreien und damit beschleunigen.

Dr. Iris Hauth ist Wissenschaftliche Leiterin des Forums Medizin und Innovationen auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit, Mitglied im Kuratorium der Stiftung der Alexianerbrüder.

Es gibt bereits Projekte, wie das Modellvorhaben Genomsequenzierung, die als ein innovativer und zukunftsweisender Impuls für eine gezielte und bessere Versorgung interpretiert werden können. Das Modellvorhaben kann als Blaupause für die Einführung weiterer Innovationen im Gesundheitswesen dienen. Es bietet die wunderbare Möglichkeit, medizinische Innovationen in einem geschützten Rahmen einzuführen und gleichzeitig wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die anschließend eine breite Implementierung erleichtern. Insbesondere bei komplexen Therapien, die auch mit großen Kosten und medizinischen Risiken verbunden sein können, kann eine zielgerichtete Einführung erreicht werden.

Jens Scholz

Jens Scholz

© Freya Lücke

Interprofessionelle Zusammenarbeit

Ein weiterer Schlüsselfaktor für Innovation und auch mehr Effizienz in der Versorgung ist die interprofessionelle Zusammenarbeit. Durch die enge Zusammenarbeit von unterschiedlichen Berufsgruppen entstehen neue Perspektiven. Diese Vielfalt an Expertise ermöglicht nicht nur effizientere Prozesse, sondern verbessert auch die Qualität der Patientenversorgung. Innovationen brauchen auch ein interprofessionelles Umfeld für eine erfolgreiche Implementierung.

Die steigenden Anforderungen an Gesundheitsfachberufe durch komplexe Versorgungsbedarfe verdeutlichen die Notwendigkeit interprofessioneller Zusammenarbeit und der Neujustierung von Kompetenzen. Und sie machen moderne Strategien der Personalentwicklung unerlässlich. Dazu gehört eine gelungene Integration akademisierter Gesundheitsfachberufe in die klinische Praxis.

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Ebenso sollten die Kompetenzen aller Berufsgruppen in der Versorgung künftig besser ausgeschöpft werden. Zugleich kann die Anpassung der Berufsbilder an die gestiegene Komplexität eine Qualitätsverbesserung in der Versorgung bewirken. Interprofessionelle Zusammenarbeit und wissenschaftlicher Fortschritt gehen Hand in Hand. Genau das soll kurzfristig mit Gesetzen zur Pflegekompetenz oder auch zur „Advanced Practice Nurse“ auf den Weg gebracht werden.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jens Scholz ist Wissenschaftlicher Leiter des Forums Medizin und Innovationen auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit, 1. Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), Vorstandsvorsitzender und Vorstand für Krankenversorgung / CEO des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH).

Die Zukunft der Gesundheitsversorgung wird maßgeblich durch Innovationen geprägt werden. Digitalisierung, KI, eine sinnvolle Implementierung von Innovationen und interprofessionelle Zusammenarbeit sind zentrale Elemente, die es ermöglichen, den medizinischen Fortschritt auch in der klinischen Praxis umzusetzen. Innovation ist der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit – insbesondere im Gesundheitsbereich. Sie ist nicht optional, sondern die Basis für ein zukunftssicheres Gesundheitswesen. Zahlreiche dieser Themen werden im „Forum Medizin und Innovationen“ auf dem Hauptstadtkongress 2025 diskutiert werden.

Hauptstadtkongress vom 25. bis 27. Juni 2025

25.06. – 14:00 -15:30

KI in der medizinischen Praxis

26.06. – 11:30 -13:00

Delegation oder echte Teampraxis?

27.06. – 11:30 -12:30

Forschung aus der Praxis

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