Messe Medica

Medizintechnik-Hersteller mit zwiespältigen Gefühlen

Trotz steigender Umsatzzahlen macht sich die Medizintechnik-Branche Sorgen. Sie leidet unter Kostensteigerungen und regulatorischen Anforderungen. Hoffnungen ruhen auf den Digitalisierungsgesetzen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Der Medizintechnik-Branche geht es ökonomisch zur Zeit noch besser als vielen anderen Wirtschaftszweigen.

Der Medizintechnik-Branche geht es ökonomisch zur Zeit noch besser als vielen anderen Wirtschaftszweigen.

© Gorodenkoff / stock.adobe.com

Düsseldorf. Die Medizintechnik-Hersteller stehen im Vergleich zu anderen Branchen nicht schlecht da. Aber die Stimmung ist auch bei ihnen nicht gerade rosig, betonte Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbands Medizintechnik im Deutschen Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik (Spectaris), im Vorfeld der Medizinmesse Medica, die vom 13. bis zum 16. November in Düsseldorf stattfindet.

Er beschrieb die allgemeine Stimmung der Unternehmen als „durchwachsen“. Immerhin werde die Branche das laufende Jahr mit einem schwachen, aber realen Umsatzwachstum beenden. „Der Branche geht es zurzeit besser als vielen anderen Industriebranchen.“

Der Umsatz habe zwischen Januar und August dieses Jahres um mehr als acht Prozent zugelegt, gleichzeitig seien die Erzeugerpreise um 6,8 Prozent gestiegen. Die sinkende Ertragslage drücke auf die Stimmung. „Aufgrund der Besonderheiten im vorwiegend budgetgetriebenen Gesundheitswesen lassen sich Kostensteigerungen bei Herstellern nur schwer und wenn überhaupt nur zeitverzögert weitergeben“, erläuterte er. Die Einsparpotenziale in den Unternehmen seien bereits früher ausgeschöpft worden.

Die Internationalisierung hilft

Zugute komme vielen Unternehmen ihr hoher Internationalisierungsgrad. „Je höher der Exportanteil der Unternehmen, desto besser kommen sie mit den gestiegenen Kosten zurecht“, sagte Kuhlmann. Nach Angaben von Spectaris haben die deutschen Ausfuhren von Medizintechnik im ersten Halbjahr 2023 um mehr als zehn Prozent zugelegt. Deutliche Zuwächse haben vor allem Exporte nach Nordamerika und Asien verzeichnet.

Kuhlmann begrüßte, dass die Kritik der Branche an der europäischen Medizinprodukterichtlinie (MDR) aufgenommen wurde. Aber die Änderungsverordnung mit verlängerten Übergangsfristen für die Unternehmen reiche nicht aus. „Das war eine dringend nötige Korrektur, um das Allerschlimmste zu verhindern.“

Es gibt nach seinen Angaben keine belastbaren Zahlen dazu, ob es durch die MDR bereits zu einer Verknappung von Produkten in der medizinischen Versorgung gekommen ist. „Wir stellen in Kürze die Ergebnisse einer Umfrage vor“, kündigte er an. Die Rückmeldungen aus Praxen und Kliniken würden aber darauf hinweisen, dass bestimmte Nischenprodukte nicht mehr verfügbar sind, beispielsweise in der Neonatologie.

„Die Prozesse sind aufwändig und teuer“

„Der Rechtsrahmen ist viel zu komplex, zu langsam und nicht zuletzt zu teuer geworden“, kritisierte Kuhlmann. Bewährte Technologien und Innovationen würden die Patientinnen und Patienten nur noch schwer erreichen. In Deutschland komme hinzu, dass auch noch die Erstattungshürde überwunden werden müsse. „Die Prozesse sind aufwändig und teuer.“

Die MDR muss nach seiner Meinung zwingend weiterentwickelt und zukunftsfähig gemacht werden. „Wir benötigen in Europa einen rechtlichen Rahmen, der nicht nur die Patientensicherheit garantiert, sondern auch Innovationen fördert.“

Hans-Peter Bursig, Bereichsleiter Gesundheit im ZVEI, Verband der Elektro- und Digitalindustrie, begrüßte die Digitalinitiativen der Bundesregierung. Das Digitalisierungsgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz seien wichtig für das deutsche Gesundheitssystem. „Deutschland schließt dann endlich auf und ist da, wo andere europäische Länder schon längst sind, was die Verfügbarkeit von Daten und die Datennutzung betrifft“, sagte er.

Es darf keine widersprüchlichen Anforderungen geben

Kritisch sieht er den Artificial Intelligence Act (AI Act) der EU. Die auf die Nutzung künstlicher Intelligenz zielenden Regelungen würden auch auf Medizinprodukte anwendbar sein und dabei möglicherweise mit der MDR kollidieren, sagte er. Der AI Act habe eine komplett andere Sicht auf Risiken als die Medizinprodukterichtlinie.

Die MDR enthalte Regelungen zur Qualität und Sicherheit von Softwarekomponenten, sagte er. „Wir können uns darauf verlassen, dass die Produkte sicher sind und tun, was sie sollen.“ Dennoch könnten sie den Anforderungen des AI Acts widersprechen. „Im allerschlimmsten Fall fliegen Produkte, die bereits eingesetzt werden, vom Markt“, warnte er. Bursigs Forderung: „Es muss klargestellt werden, dass die MDR Vorrang vor dem AI Act hat.“

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