Junge Ärzte

Von Renditeansprüchen erdrückt?

Im „Dialog mit jungen Ärztinnen und Ärzten“ vor Beginn des Ärztetags drehte sich alles um die Frage, wie Nachwuchsmediziner Kommerzialisierung erleben.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Diskussion mit Dr. Thorsten Kehe (Märkische Gesundheitsholding), Jana Aulenkamp (bvmd), Helmut Laschet (Journalist), Inna Agula-Fleischer (ÄKWL) und Moderator Dr. Pedram Emami (Präsident Ärztekammer Hamburg, von links) mit jungen Ärztinnen aus dem Publikum.

Diskussion mit Dr. Thorsten Kehe (Märkische Gesundheitsholding), Jana Aulenkamp (bvmd), Helmut Laschet (Journalist), Inna Agula-Fleischer (ÄKWL) und Moderator Dr. Pedram Emami (Präsident Ärztekammer Hamburg, von links) mit jungen Ärztinnen aus dem Publikum.

© Michaela Illian

MÜNSTER. Für den Krankenhaus-Manager ist die Sache klar: „Es fehlt auf Seiten der Ärzteschaft die Professionalität in der Ökonomie“.

Dr. Thorsten Kehe, selbst Internist, aber hauptberuflich Vorsitzender der Geschäftsführung der Märkischen Gesundheitsholding in Lüdenscheid, provozierte mit dieser These viel Widerstand bei der Diskussionsveranstaltung der Bundesärztekammer unter dem Motto „Ärzte als Renditebringer? Wie erleben junge Ärztinnen und Ärzte die Kommerzialisierung?“.

„Ja, in keinster Weise fühle ich mich da auf sicheren Füssen, ich habe ja auch zwölf Jahre Medizin-Studium und -weiterbildung hinter mir – ich bin Ärztin und nicht Ökonomin“, räumte eine junge Ärztin aus dem Publikum freimütig ein.

Druck durch Vorgaben

Die festen Teilnehmer der Runde und die spontan auf die Bühne für einen Kurzbeitrag gebetenen Zuhörer schilderten in vielen Aspekten, wie sie die Kommerzialisierung erleben. „Wir sind im Krankenhaus beschäftigt, um Rendite zu erwirtschaften“, sagte eine junge Ärztin desillusioniert.

„Wenn ich Abrechnungen prüfe, geht mir dafür ein OP-Tag verloren, und das möchte ich eigentlich nicht“, meinte eine weitere und eine dritte klagte, sie würde sich mehr als Ärztin fühlen, „wenn ich nicht Listen bekäme, was gut wäre zu kodieren“.

Druck durch Vorgaben beklagten viele Teilnehmer. „Wir werden nicht von den Geschäftsführern gefragt, wie können wir das Krankenhaus gemeinsam voranbringen, sondern es kommen Vorgabelisten“, kritisierte Jana Aulenkamp, bis vor Kurzem Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd).

Beispiel Mindestmengen: Die seien ja eigentlich richtig, um eine gewisse Qualität im Krankenhaus zu gewährleisten, so eine junge Ärztin aus Ostfriesland, dies führe aber in kleinen Kliniken dazu, dass es Operationen durchführt, die vielleicht gar nicht nötig gewesen wären.

Zielvereinbarungen mit Chefärzten könnten zu einer Überversorgung führen, warnte auch Helmut Laschet, ehemaliger stellvertretender Chefredakteur der „Ärzte Zeitung“, der zuvor in einem Impulsvortrag über „Medizin und Ökonomie“ referiert hatte.

In seinem Haus gebe es solche Verträge nicht, sagte Kehe für die Märkische Gesundheitsholding. Gleichzeitig warnte er davor, die Ökonomie zu verteufeln. Gewinne zu machen, sei nichts Schädliches, Krankenhäuser müssten Gewinne machen, um beispielsweise neue Geräte anzuschaffen.

Allerdings blute das deutsche System mit den Diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) aus, denn woher sollten die nötigen Investitionsgelder kommen – „das ist ein Webfehler, finanziert wird nur das laufende System. Da stimmte ihm Aulenkamp zu: „Wir müssen endlich die DRG überarbeiten, ohne Veränderung dieses Systems wird es nicht gehen.

Am Personal wird gespart

Es herrsche seit Jahren eine dramatische Unterfinanzierung der Krankenhäuser, weil die Länder ihren Investitionsverpflichtungen nicht nachkämen, also habe das Klinikmanagement nur eine Möglichkeit – am Personal sparen, konstatierte Laschet. Die Folgen beschrieben mehrere Redner. Es fehle an Einarbeitung, es fehle an Weiterbildung und es fehle an Patientenzeit, meinte Nachwuchsarzt Theodor Uden.

„Wir kaufen uns am Wochenende in Kurse ein“, berichtete eine Ärztin in Weiterbildung, „sonst bleibt die Weiterbildung auf der Strecke – so erlebe ich die Kommerzialisierung“.

„Das Problem ist, dass Gesundheit zu einer Ware wird“, sagte Inna Agula-Fleischer, Vorsitzende des Arbeitskreises „Junge Ärztinnen und Ärzte“ der Kammer Westfalen-Lippe. „Wir sparen seit Jahrzehnten bei Medizin und Gesundheit, wann wollen wir was ändern, an dieser Mentalität?“

Das könnte noch dauern. Denn „zwischen Ärzten und Ökonomen herrscht eine bodenlose Sprachlosigkeit“, lautete das Fazit des scheidenden Bundesärztekammer-Präsidenten Professor Frank-Ulrich Montgomery. In der Sache seien die beiden Gruppen gar nicht so weit auseinander, „aber sie verstehen sich nicht“.

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