DGIM-Kongress 2025

Wie gelingt Palliativmedizin in der Hausarztpraxis?

Was die palliative Sedierung kann und was nicht, was dabei zu beachten ist und welche Professionen involviert sind, wurde auf dem Internistenkongress erörtert.

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Oberste Maxime der Palliativmedizin ist die Beachtung des Patientenwillens und dessen Autonomie.

Oberste Maxime der Palliativmedizin ist die Beachtung des Patientenwillens und dessen Autonomie.

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Wiesbaden. In die hausärztliche Tätigkeit kann auch die Palliativversorgung fallen, die besondere Herausforderungen an die Allgemeinmediziner stellt. Auf dem DGIM-Kongress in Wiesbaden gaben Spezialisten am Dienstag Ratschläge für die „Palliativmedizin in der hausärztlichen Praxis“.

Die Siegener Anästhesistin Dr. Regina Mansfeld-Nies stellte zunächst klar, dass gezielte palliative Sedierung nicht bedeute, „alles abzusetzen und nichts mehr zu tun“. Vielmehr handele es sich dabei um eine hochqualifizierte Behandlung – und ausdrücklich nicht um Sterbehilfe.

Die Ziele der Palliativmedizin definierte Mansfeld-Nies mit der Schaffung der bestmöglichen Lebensqualität und Linderung belastender Symptome von Menschen mit lebensbegrenzender Erkrankung. Oberste Maxime sei dabei die Beachtung des Patientenwillens und dessen Autonomie.

Dabei gelte es alle vier Dimensionen der Bedürfnisse zu berücksichtigen: physisch, psychisch, sozial und spirituell. Die Versorgung sollte multiprofessionell und interdisziplinär erfolgen; zudem bedürfe es eines ehrlichen Austauschs mit dem Patienten, den Angehörigen und auch dem Behandlungsteam über realistische Therapieziele.

Linderung von refraktärem Leid

Konkret bedeutet dies laut Mansfeld-Nies, eine Linderung von refraktärem Leid durch die überwachte Gabe von Medikamenten mit dem Ziel der Bewusstseinsreduktion bei Menschen mit lebenslimitierenden Erkrankungen. Wobei refraktäres Leid sowohl körperliches, psychisches wie auch existenzielles Leid umfasse.

Die Therapieoptionen der palliativen Sedierung sollten Patienten und Angehörigen möglichst frühzeitig im Krankheitsverlauf erläutert werden, sagte die Anästhesistin. Denn dabei ginge die Interaktionsfähigkeit und damit die persönliche wie juristische Entscheidungsfähigkeit des Patienten verloren.

Zu Beginn sollte nach ihren Worten eine leichte intermittierende Sedierung mit geplanten Pausen stehen. Eine tiefe und kontinuierliche Sedierung sei in Notfallsituationen angezeigt oder sofern die leichte Sedierung nicht ausreiche, so Mansfeld-Nies. Dabei seien die Übergänge fließend und individuell.

Umfangreiche und lückenlose Dokumentation

Die Einleitung der palliativen Sedierung sollte durch den verantwortlichen Arzt und die Pflegekraft bis zur geplanten Sedierungstiefe erfolgen. Bei alldem rät die Anästhesistin zu einer umfangreichen und lückenlosen Dokumentation.

Zur Frage, wer welche Hilfe leistet, stellte der Bielefelder Hausarzt Dr. Hans-Ulrich Weller auf Chancen und Konflikte zwischen der Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) und der Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) ab. Die AAPV müsse ansteigen und wichtiger Part in der Versorgung bleiben, sagte Weller, die SAPV hingegen solle bedarfsgerecht eingesetzt werden.

Es bedürfe einer engen Verzahnung von AAPV und SAPV bei flexibler Reaktion auf wechselnde Verläufe. Die SAPV solle nicht zunehmen als Ersatz für die AAPV. Die Aufnahme in die SAPV müsse ohne Wartezeit erfolgen, sagte Weller, deren Rufbereitschaft auch für AAPV-Patienten verfügbar sein, um Hausärzte zu entlasten. Ferner solle die SAPV so viele Patienten wie nötig versorgen bei anreizkompatibler Vergütung und flexibler Teamzusammensetzung.

Als potenzielle Konflikte zwischen den beiden Versorgungsformen zählte Weller die Konkurrenz um Patienten auf, eine Bevormundung und Zwangssupervision von Hausärzten durch die SAPV genauso wie Reibungsverluste an den Schnittstellen durch mehrere Versorgungsebenen. Auch Befugnisbeschränkungen könnten auftauchen wie auch die Nötigung der Hausärzte, Patienten an die SAPV abzugeben. Auch eine mangelnde finanzielle Verteilungsgerechtigkeit sie zu verhindern.

„Junges Fach“ Kinderpalliativmedizin

Als ein „junges Fach“ stellte der Neonatologe Marcus Linke von der Kinderklinik Siegen die Kinderpalliativmedizin vor – erst vor 15 Jahren sei die erste Kinderpalliativstation in Deutschland gegründet worden.

Mittlerweile gebe es auch nur drei bis vier davon, 21 Kinderhospize und je nach Definition 36 oder 41 Kinderpalliativteams. Bei steigenden Zahlen: Die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen bezifferte Linke zwischen knapp 70.000 und 85.000.

Diese würden anders leiden und sterben als Erwachsene, betonte Linke, gehörten aber mit ihren Familien in die Mitte unserer Gesellschaft. Die Kinder hätten das Recht auf eine an ihren Bedarfen ausgerichtete Versorgung, begründete Linke die Notwendigkeit einer pädiatrischen Palliativmedizin. (bar)

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