2009 erhältlich: Antidepressivum mit neuem Wirkprinzip

BERLIN (mut). Agomelatin wirkt nicht nur gut gegen Depressionen, es bringt auch den Schlaf-Wach-Rhythmus wieder ins Lot.

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2009 erhältlich: Antidepressivum mit neuem Wirkprinzip

© Foto: Klaro

Die derzeitige antidepressive Pharmakotherapie beruht im Wesentlichen darauf, einen Mangel an Serotonin und Noradrenalin im Gehirn zu beheben. Mit Agomelatin wird 2009 ein Antidepressivum eingeführt, das selektiv an Melatonin-Rezeptoren und am postsynaptischen Serotonin-Rezeptor 5-HT2C ansetzt.

Die Wirkweise des neuen Medikaments hat jetzt Professor Göran Hajak vom Uniklinikum Regensburg beim Psychiatriekongress in Berlin erläutert. So wirkt Agomelatin als Agonist an den Melatonin-Rezeptoren MT1 und MT2. Die Wirkung am MT1 -Rezeptor reduziert die Wecksignale der inneren Uhr, dem Nucleus suprachiasmaticus, und erleichtert den Patienten das Einschlafen. Die Aktivität am MT2-Rezeptor resynchronisiert den aus dem Lot geratenen Schafrhythmus, so Hajak auf einer Veranstaltung des Unternehmens Servier.

Bei Depressiven oft gestört: der Schlaf-Wach-Rhythmus

Der Schlafexperte wies darauf hin, dass bei vielen Depressiven der Schlaf-Wach-Rhythmus massiv gestört ist: Im Gegensatz zu gesunden Menschen haben Depressive tags- über Phasen, in denen sie müde, antriebslos und wenig aktiv sind und werden nachts oft durch aktive Phasen und innere Unruhe am Schlaf gehindert. Dies macht sich auch physiologisch bemerkbar. Während bei Gesunden im Schlaf die Körpertemperatur sinkt, der Melatoninspiegel steigt und die Kortisol-Werte zu Beginn fallen, verflachen diese natürlichen Schwankungen bei Depressiven. In Studien mit Agomelatin ließen sich die zirkadianen Schwankungen etwa von Körpertemperatur, Melatonin und Kortisol wieder an den natürlichen Verlauf angleichen.

Dies spiegelt sich auch im Ablauf der Tiefschlafphasen wider: Normalerweise ist die erste Tiefschlafphase am stärksten ausgeprägt, in jeder weiteren Phase nimmt die Tiefe des Schlafs etwas ab. Bei Depressiven ist dieses Muster oft durcheinander. Mit Agomelatin ließ es sich in Studien wiederherstellen. Offenbar eine Folge des verbesserten Schlafs: In einer Vergleichsstudie war die Aufmerksamkeit und Vigilanz der Patienten am nächsten Tag mit Agomelatin besser als mit Venlafaxin.

Tiefschlaf induziert durch Block des 5-HT2C-Rezeptors

Zur Verbesserung des Schlafs trägt auch die antagonistische Wirkung am 5-HT2C-Rezeptor bei. Wie von einigen Neuroleptika bekannt, induziert die Blockade des Rezeptors gezielt den Tiefschlaf. Zudem setzt die 5-HT2c-Blockade Dopamin und Noradrenalin im präfrontalen Kortex frei - ein bekannter antidepressiver Effekt.

Allerdings, so Hajak, lasse sich bei dem Medikament nicht eine Schlaf fördernde von einer antidepressiven Wirkung trennen: Die Normalisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus habe bereits antidepressive Eigenschaften und wirke synergistisch mit der 5-HT2C -Blockade.

Antidepressive Wirkung ähnlich SSRI und NSRI

Was die klinische Wirkung betrifft, so sei Agomelatin nach Daten vieler Vergleichsstudien ähnlich gut antidepressiv wie SSRI und NSRI, hat Professor Markus Gastpar von der Fliedner Klinik in Berlin berichtet. In einer Studie mit 313 Depressiven trat die Wirkung sogar deutlich schneller ein. Die Ansprechrate nach zwei Wochen lag mit Agomelatin bei 20 Prozent, mit Sertralin bei 11 Prozent. Nach sechs Wochen näherten sich die Werte wieder etwas an (70 versus 62 Prozent). Als Ansprechen wird bekanntlich eine Reduktion des Werts auf der Hamilton-Depressionsskala um 50 Prozent definiert.

Auch zur Langzeitprophylaxe gibt es gute Daten: In einer Studie lag die Rezidivrate nach zehn Monaten bei 24 versus 50 Prozent mit Placebo. Ein gewichtiger Vorteil des neuen Medikamentes: Unerwünschte Wirkungen lagen in den meisten Studien auf Placeboniveau und die Abbruchrate war oft deutlich geringer als mit SSRI und NSRI.

Nach einem positiven Votum der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA wird die Zulassung für Januar 2009 erwartet. Das Medikament soll anschließend im April 2009 auf den Markt kommen.

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