Antikörper-Therapie mobilisiert Killerzellen gegen MS

Eine Studie weist auf einen neuen Ansatz zur MS-Therapie: Der Antikörper Daclizumab aktiviert regulatorische Killerzellen und dämpft so die Immunreaktion. Damit lassen sich über 70 Prozent der ZNS-Läsionen verhindern.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
MS-Kranke hoffen auf neue Medikamente. © bilderbox / fotolia.com

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Bisher richten sich Antikörper in der MS-Therapie meist gegen bestimmte Lymphozytenpopulationen. Aktuelle Daten deuten nun auf eine neue Möglichkeit: So fördert der monoklonale Antikörper Daclizumab die Vermehrung regulatorischer Immunzellen und bremst offenbar auf diese Weise die überschießende Immunreaktion bei MS.

In einer Phase-II-Studie hatten US-Ärzte um Dr. John Rose aus Salt Lake City die neue Therapie bei 230 MS-Patienten geprüft, die trotz Basistherapie mit Interferon beta immer noch Krankheitsschübe hatten. Alle Patienten erhielten weiterhin Interferon, zusätzlich bekamen sie subkutane Injektionen von Daclizumab entweder hoch dosiert (2 mg/kg KG alle zwei Wochen) oder niedrig dosiert ( 1 mg/kg KG alle vier Wochen), oder sie erhielten Placebo. Nach sechs Monaten gab es in der Placebogruppe bei der MRT-Kontrolle im Schnitt 4,8 Gadolinium-anreichernde ZNS-Läsionen, mit niedrig dosiertem Antikörper waren es 3,6, und mit hoch dosiertem sogar nur 1,3 Läsionen - das sind 72 Prozent weniger als mit Placebo, berichten die Forscher online in "Lancet Neurology".

Unerwünschte Wirkungen traten in allen Gruppen praktisch gleich häufig auf, jedoch war die Rate schwerer Nebenwirkungen in den Daclizumab-Gruppen mit 13 versus 5 Prozent höher als mit Placebo - so kam es häufiger zu schweren Infektionen während der Antikörpertherapie. Opportunistische Infekte, wie sie bei immunsuppressiven Therapien gefürchtet sind, wurden jedoch nicht beobachtet. Allerdings war die Therapiedauer mit sechs Monaten relativ kurz und die Patientenzahl klein.

Überraschenderweise hatte die Therapie keinen Einfluss auf die T-Zell- und B-Zell-Werte. Überraschend ist dies deshalb, weil Daclizumab den Interleukin-2-Rezeptor von T-Zellen blockiert. Auf diese Weise sollte der Antikörper eigentlich die T-Zell-Proliferation dämpfen und so deren schädliches Treiben im ZNS bremsen. Doch statt die T-Lymphozyten zurück zu drängen, vermehrte die Therapie eine Subpopulation Natürlicher Killerzellen - und zwar um den Faktor Sieben bis Acht. Die Forscher gehen nun davon aus, dass Daclizumab praktisch eine Armee dieser als CD56bright bezeichneten und regulatorisch tätigen Killerzellen aufstellt, die wiederum autoaggressive T-Zellen zur Mäßigung zwingt.

Normalerweise bilden CD56bright Zellen nur zehn Prozent der Population Natürlicher Killerzellen. Doch offenbar werden diese regulatorischen Immunzellen immer dann aktiv, wenn es darum geht, Immuntoleranz zu erzeugen. So vermehren sich die Zellen stark in der Schwangerschaft und ermöglichen die Einnistung des Embryos in die Gebärmutterschleimhaut - ohne die Hilfe der Killerzellen würde die maternale Abwehr den Embryo rasch abstoßen. Und nach einer Organtransplantation hängt das Schicksal des Fremdorgans offenbar auch vom Wohlwollen der CD56bright Zellen ab - Daclizumab wurde, ohne seinen Effekt auf die Killerzellen genau zu kennen, zunächst als Immunsuppressivum entwickelt und bereits Ende der 90er Jahre für Patienten nach Nierentransplantation zugelassen.

Letztlich ist es also nicht überraschend, dass Killerzellen auch wichtig sein könnten, um Autoimmunreaktionen wie bei MS zu unterbinden. Dafür spricht zudem, dass Forscher bei unbehandelten MS-Patienten viel weniger CD56bright Zellen als bei Gesunden fanden. Auch nimmt bei einem MS-Schub die Zahl dieser Zellen ab, in der Regenerationsphase jedoch wieder deutlich zu.

Die Forscher hoffen nun, dass der von Biogen entwickelte Antikörper sich nun in Phase-III-Studien bewährt. Da ein Teil der Wirkung auf CD56bright-Zellen beruht, könnte man diese künftig auch direkt durch Zytokine stimulieren und damit die MS-Therapie weiter vereinfachen, heißt es in einem Kommentar zur Studie.

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