Experten-Kommentar

Bewegung bei Diabetes: Besserer Stoffwechsel und weniger Komplikationen

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:
Prof. Hellmut Mehnert widmet sich seit über 50 Jahren den Themen Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden. 1967 hat er das erste Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Prof. Hellmut Mehnert widmet sich seit über 50 Jahren den Themen Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden. 1967 hat er das erste Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

© Karo / imago

Bewegungsmangel begünstigt die Entwicklung eines metabolisch-vaskulären Syndroms. Im Umkehrschluss lassen sich daher Atherosklerose, Adipositas und Typ-2-Diabetes mit regelmäßiger körperlicher Bewegung vorbeugen. Häufig vergessen wird, dass damit auch die Gesundheit der Gelenke und der Psyche gefördert wird. Bei manifestem Diabetes gehört regelmäßige Bewegung zu den wichtigsten Basismaßnahmen.

Welche Evidenz gibt es für die Wirksamkeit von Bewegung? Wichtig ist hier die Look-AHEAD-Studie, deren Ergebnisse leider häufig fehlinterpretiert werden. In der Untersuchung wurde bei 5145 übergewichtigen oder adipösen Diabetikern der Effekt einer gesteigerten körperlichen Fitness und einer Gewichtsreduktion geprüft. Zur Bestürzung der Experten ließen sich am Ende keine relevanten Auswirkungen der intensiven Lebensstilveränderungen auf die Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen nachweisen.

Zu kurze Studiendauer

Sind also Ernährungs- und Bewegungstherapie mit den damit verbundenen aufwendigen Schulungen obsolet? Auf gar keinen Fall! Auch in der UKPDS-Studie unterschieden sich die Raten kardiovaskulärer Ereignisse bei den besser eingestellten Typ-2Diabetikern nach zehn Jahren (noch) nicht signifikant von der Kontrollgruppe, wohl aber hochsignifikant nach zehn bis 15 Jahren.

Daher haben die Look-AHEAD-Autoren in einer Post-hoc-Analyse gezielt jene Studienteilnehmer unter die Lupe genommen, die ihr Körpergewicht im ersten Jahr der Studie um mindestens zehn Prozent verringern konnten. Und siehe da: Diese Patienten hatten im Follow-up-Zeitraum von rund zehn Jahren ein signifikant um 21 Prozent niedrigeres Risiko für den primären Studienendpunkt (kardiovaskulär verursachter Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung wegen Angina pectoris), und zwar im Vergleich zu Patienten mit unverändertem Gewicht oder mit Gewichtszunahme. Man hätte also die Studie länger fortsetzen sollen. Ferner: Nur im ersten Jahr der Look-AHEADStudie wurden die Patienten gründlich beraten und kontrolliert. Übrigens wies auch die Kontrollgruppe deutliche Besserungen im Hinblick auf das Gewichtsverhalten auf (Studieneffekt!). Zudem hatte die Patienten der Prüfgruppe schlechtere Ausgangbedingungen, weil bei ihnen – zufällig – die LDL-Werte höher und die Quote der Statinbehandlung niedriger lag.

Zu empfehlen sind Spaziergänge

Weitere Ergebnisse der Studie: Die Mikroangiopathie wurde in der Prüfgruppe binnen zehn Jahren signifikant verbessert, die Raten von Schlafapnoe und Depressionen waren im Vergleich um etwa 20 Prozent niedriger, die Fitness verbesserte sich.

Nun sage noch Einer: Ernährungs- und bewegungstherapeutische Maßnahmen verbessern nicht die Stoffwechselsituation! Im US-Diabetes Prevention Program (DPP) beugten die Maßnahmen bei Prädiabetikern der Manifestation eines Typ-2-Diabetes oder schoben diese hinaus. Die Quintessenz der Studie lautet: Die Bekämpfung des Bewegungsmangels ist ein wichtiges Ziel für Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko.

Wie kann man das aber erreichen? Ein gewisser Morgensport mit Stepper, Gummiband und Expander kann auch älteren Patienten "zugemutet" werden. Eine Alternative sind rasche Spaziergänge über etwa 30 Minuten fünfmal die Woche, am besten anstelle von Fernsehen oder Computertätigkeit in dieser Zeit.

Allerdings: Wer als Diabetiker joggen will, kann dies tun. Die kardiovaskuläre Situation sollte dies aber erlauben. Keinesfalls sollte der Patient hier übertreiben. Berichte über 100-Jährige, die an einem Marathonlauf teilnehmen sind kein beeindruckendes Vorbild, sondern sollten eher zur Abschreckung dienen.

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