Grippewelle

Bundesweit hohe Ansteckungsgefahr

Deutschland ist stark vergrippt: Vor allem Risikopatienten brauchen Schutz vor Infektionen und schweren Krankheitsverläufen. Noch ist es dafür nicht zu spät.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Ein gefüllter Bus - Paradies für Influenzaviren.

Ein gefüllter Bus - Paradies für Influenzaviren.

© biky / imago

NEU-ISENBURG. Die Grippewelle hat die meisten Regionen Deutschlands erreicht. Die Aktivität der Influenzaviren war in der 7. Kalenderwoche fast überall stark erhöht, wie das Robert Koch-Institut vermeldet.

In den letzten zehn Jahren wurden nur in den Saisons 2004/05 und 2008/09 höhere Werte des Praxisindex bei Atemwegsinfektionen erreicht.

In bundesweiten Stichproben von 253 Patienten waren in der vergangenen Woche zudem 154 (61 Prozent) positiv für Influenza.

Daher ist bei typischen Symptomen mit hoher Wahrscheinlichkeit von Influenza auszugehen, betont Dr. Jan Leidel von der Ständigen Impfkommission.

"Wer noch nicht krank ist, bei dem kann jetzt noch eine Impfung nachgeholt werden, so Leidel zur "Ärzte Zeitung". Zu empfehlen ist dies bei Menschen mit hohem Risiko für schwere Krankheitsverläufe wie Alte, Schwangere, chronisch Kranke.

Leidel kritisiert Rabattverträge für Vakzine

"Bei aller Kritik an der Impfung, sie ist der beste Schutz, den wir haben", betont Leidel. Nach seinem Eindruck sind seit der Diskussion über den Nutzen des Schutzes bei der Schweingrippe die Impfraten bei uns eher rückläufig.

Auch die Rabattverträge und Lieferengpässe für Grippe-Vakzine im Herbst in Norddeutschland hätten sich eher negativ auf die Impfquoten ausgewirkt.

Leidel hält solche Verträge grundsätzlich für sinnvoll. Allerdings dürften sie nicht die Versorgung mit Impfstoffen behindern und den medizinischen Fortschritt bremsen.

"Die Pharmaindustrie muss Anreize haben, um wirksamere Grippe-Impfstoffe zu entwickeln, die dringend gebraucht werden", sagt Leidel.

Dies werde nicht gefördert, "indem man eine Monopolsituation bei den Grippe-Impfstoffen schafft".

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Kommentare
Maximilian Micka 24.02.201310:50 Uhr

Impfen ja, aber....

In unserer Praxis stelle ich jedes Jahr eine zähe und - wie ich annehme - steigende Anzahl von Patienten fest, die sich der jährlichen Impfung vehement entgegenstellen.
Da sind zu ersten die "Auf-die-letzte-Impfung-(vor zig Jahren)-bin-ich- soo-krank-geworden-und-jetzt-laß-ich-das-nicht-mehr-machen..." denen man noch so oft predigen kann, ein Totimpfstoff kann nicht krank machen, gefolgt von den "Ich-hab-im-Internet-gelesen-" die sich dann als völlig Verunsicherte erweisen, hin- und hergerissen von Impfbefürwortern und zum Teil gefährlich verbohrten Impfgegnern. Selbst offizielle Stellen schaffen es hier keine einheitliche Stellungnahme abzugeben und das Impfverhalten bzw. die Impfbereitschaft der Patienten zu untergraben. Gerade noch rechtzeitig erwischten wir dieses Jahr ein paar aus der Gruppe "Ich-dachte-Ihr-habt-gar-keine-Impfstoffe-dieses-Jahr..." und wir ''bedanken'' uns dafür recht herzlich bei der AOK und ihrer phänomenalen Rabattvertragspolitik, einem "bewährten Verfahren", das es uns dieses Jahr noch schwerer macht die bestellten Impfdosen an den Patienten zu bringen. Wahrscheinlich bekommen wir dafür als Belohnung für unsere Arbeit noch zusätzlich einen saftigen Regress!

Dr. Thomas Georg Schätzler 23.02.201313:52 Uhr

Taschentuch - das unbekannte Wesen?

"Nach dem Klo und vor dem Essen, Händewaschen nicht vergessen", lernte ich schon bei Frau Weise. So hieß tatsächlich meine Kindergärtnerin damals in Berlin-Tempelhof. Eine kleine, radikale, umso eindeutiger aber identifizierbare Minderheit meiner Patienten steht solchen hygienischen Anstrengungen auch bei ihrer Ganzkörperpflege manchmal tagelang skeptisch gegenüber.

Auch der temporäre Gebrauch von Einmal-Papiertaschentüchern ist insbesondere bei beengten Menschenansammlungen aus der Mode gekommen. Es wird nach Kräften gehustet, geschnieft, geschneuzt, gebölkt, gespuckt und gerotzt was das Zeug hält. Und die Umstehenden in Bus und Bahn, im Büro und in der Kantine, im Kino, Konzert und Theater müssen es ausbaden.

Da mag zwar, begünstigt durch 7°C kaltes Trinkwasser, das H1N1-Virus auch über Erbrochenes und Stuhl ausgeschieden werden, aber diese Übertragungswege spielen wohl im kommunikativen, beruflichen und geselligen Miteinander bzw. im ÖPNV eine eher untergeordnete Rolle. Entscheidend sind aerogene Übertragungen durch Tröpfcheninfektion hei heftigen Atemstößen und das ubiquitär verbreitete Ausspucken von Mund- bzw. Nasensekreten. Die wöchentliche Bundesliga-Berichterstattung führt vor, das es gestandenen Profi-Fußballern möglich ist, alle 15-20 Meter mit oder ohne Ballkontakt intermittierend auszuspucken. Was man z. B. bei rhythmischer Sportgymnastik, Eiskunstlaufen oder Turniertanz deutlich seltener oder gar nicht zu sehen bekommt.

Das Hauptproblem bleiben die Übertragungswege durch die Luft. Während in chinesischen oder japanischen Metropolen schon Smog-bedingt das Tragen von Mund- und Nasenmasken verbreitet ist, ist dieser Trend hierzulande noch nicht angekommen. Die Deutsche Bahn AG bemüht sich, durch Verknappung des Zugangebotes die Überfüllung zu steigern, um Kontaminations- und Transmissionswahrscheinlichkeit zu steigern. Fehlende Einmal-Taschentücher der Passagiere erledigen dann den Rest der Grippe-Epidemie.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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