Cäsium trägt Radioaktivität in viele Körperzellen

Die Strahlenbelastung nach einem Reaktorunfall ist langfristig auch durch radioaktives Cäsium geprägt, das sich im Körper wie Kalium verhält.

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NEU-ISENBURG (ple). Bei einer Kernschmelze mit Zerstörung des Sicherheitsbehälters werden die in den Brennelementen enthaltenen radioaktiven Stoffe Uran, Plutonium und Spaltprodukte wie Krypton, Strontium und Cäsium in die Umgebung freigesetzt. Gasförmige Stoffe wie die Edelgase Krypton und Xenon werden dabei vollständig oder nahezu vollständig freigesetzt.

Dies gelte auch für leicht flüchtige Stoffe wie Jod und Cäsium, so das Bundesamt für Strahlenschutz (BFS). Weniger flüchtige Stoffe wie Strontium, Antimon, Uran und Plutonium kommen als Aerosole vor oder sind an Staubteilchen gebunden.

Die wenigen Informationen zu Radioaktivitätsmessungen, die bisher aus Japan mitgeteilt worden sind, reichen nach Angaben des BFS nicht aus, um konkrete Aussagen über die Höhe der Freisetzungen aus de beschädigten Kraftwerken treffen zu können. Die japanische Behörde Nuklear and Industrial Safety Agency (NISA) gibt auf ihrer Homepage aktuelle Informationen über Radioaktivitätsmessungen bekannt. Sie ist verpflichtet, die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) darüber zu informieren.

Nach Ansicht der BFS ist die Tatsache, dass von Messungen radioaktiven Jods und Cäsiums berichtet wird, ein eindeutiger Hinweis darauf, dass ein Reaktorkern erheblich beschädigt ist. Strahlenbelastungen für Menschen entstehen zunächst vor allem durch Einatmen und äußere Bestrahlung durch die in der Luft befindlichen radioaktiven Stoffe.

Die Belastung kann vor allem im Nahbereich des Reaktors eine Höhe erreichen, die durch Genom-Veränderungen langfristig zu einem erhöhten Leukämie- und Krebsrisiko führt. Krebs tritt häufig erst Jahre bis Jahrzehnte nach der Strahlenexposition auf, die Wahrscheinlichkeit hängt von der Höhe der Strahlenbelastung ab.

In der engsten Umgebung des Reaktors kann bei einer Kernschmelze möglicherweise auch eine sehr hohe Strahlenbelastung auftreten, die zu einer akuten Strahlenkrankheit führen kann: Ist ein Mensch einer Strahlung in Höhe von über 500 Millisievert ausgesetzt, können gesundheitliche Schäden nach Angaben des BFS bereits innerhalb von Stunden, Tagen oder Wochen auftreten. Vor allem sich häufig teilende Zellen wie der Mundschleimhaut und des Darms sind durch die Strahlung gefährdet.

Zum Vergleich: Ein Flug von Frankfurt nach New York und zurück führt zu einer effektiven Dosis von etwa 75 bis 150 Mikrosievert. Aktuelle Messwerte der Radioaktivität in Deutschland sind auf der BFS-Homepage jederzeit abrufbar. Für die Strahlenbelastung der Bevölkerung in der näheren und ferneren Umgebung um die betroffenen Reaktoren sind zwei radioaktive Stoffe von besonderer Bedeutung. Zum einen die radioaktiven Isotope des Jods, wie Jod-131 und Jod-133.

Diese Radionuklide bestimmen in den ersten Tagen nach einem Reaktorunfall wesentlich die Strahlenbelastung. Sie weisen eine relativ kurze Halbwertszeit, also die Zeit, in der durch radioaktiven Zerfall der Stoffe die Hälfte der Radioaktivität abklingt, von bis zu acht Tagen auf. Ihre Wirkung kann geschwächt werden, indem gefährdete Personen rechtzeitig nicht-radioaktives Jod einnehmen, da so eine Anreicherung des eingeatmeten oder eventuell mit Nahrung aufgenommenen radioaktiven krebsauslösenden Jods in der Schilddrüse verhindert wird.

Die Strahlenbelastung wird auch bestimmt durch Cäsium-Radionuklide - vor allem Cäsium-134 und Cäsium-137. Halbwertszeit: bis zu 30 Jahre. Sie verhalten sich wie Kalium. In Zellen ist es an Prozessen zwischen Zellinneren und -umgebung beteiligt, die grundsätzlich bei allen Zellen stattfinden, besonders aber in Muskel- und Nervenzellen.

Kommt es zu explosionsartigen Freisetzungen mit großer Hitzeentwicklung, so dass diese Stoffe in große Höhen transportiert werden, treten vor allem die radioaktiven Isotope des Elements Strontium sowie die Isotope von Plutonium auf. Strontium verhält sich im Körper ähnlich wie Kalzium, es gelangt also in alle Zellen des Körpers, reichert sich aber vor allem in Knochen an.

Plutonium haftet gewöhnlich an Staubpartikel an und kann somit eingeatmet werden und sich dann in der Lunge ablagern. Von dort können dann geringe Mengen in den Körper gelangen und sich an Knochen und in der Leber ablagern. Wird Plutonium über Lebensmittel aufgenommen, dann wird der überwiegende Teil in der Regel wieder ausgeschieden. Der Rest wird jedoch ähnlich wie nach dem Einatmen in Knochen und in der Leber abgelagert.

Zum Special "Katastrophe in Japan"

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