Schlechte Kommunikation hat zur Ausbreitung der Spanischen Grippe beigetragen: Sie wurde bewusst verschwiegen.

Von Nicola Siegmund-Schultze

Die verheerendste Grippe-Epidemie in den vergangenen hundert Jahren begann irgendwann im Frühjahr 1918. Von welchem Ort sie ihren Ausgang nahm, ist bis heute nicht bekannt, auch wenn sie den Namen "Spanische Grippe" erhielt. Dagegen weiß man inzwischen auch dank Internet-gestützter Überwachungssysteme relativ genau, woher die Schweinegrippe stammt: Aus einer kleinen Stadt in Mexiko.

Eines ist sicher: Spanien war nicht der Ursprung der Pandemie von 1918, die weltweit 35 bis 100 Millionen Menschen das Leben kosten sollte. Das Land, im Ersten Weltkrieg politisch neutral, begann lediglich als erstes, über die Grippewelle zu informieren. Dagegen berichteten die kriegsbeteiligten Nationen, darunter Deutschland, nur knapp, kaum öffentlich und teilweise falsch. Der damalige US-Präsident Woodrow Wilson wies etwa seine Berater an, die Bevölkerung nur äußerst zurückhaltend zu informieren. Begründung: Die meisten erwachsenen Menschen seien dem Umgang mit solchen Gesundheitsgefahren nicht gewachsen, die Selbstbestimmung habe sich dem Gemeinwohl unterzuordnen.

Diese "strategische Informationspolitik" habe zur Verbreitung der Grippe beigetragen und sei ein großer Fehler gewesen, so der US-Infektiologe Dr. John M. Barry von Uni in New Orleans (Nature 2009, 459, 324).

Denn schon damals waren Möglichkeiten bekannt, die Ausbreitung einzudämmen, zum Beispiel durch Hygiene, Vermeiden enger Kontakte mit Infizierten oder Tragen von Atemschutzmasken. Daran musste beim Ausbruch der Lungenkrankheit Sars vor sechs Jahren auch die chinesische Regierung erst erinnert werden: Zunächst vertuscht und verschwiegen breitete sich das Sars-Virus im Frühjahr 2003 über China in Südostasien aus. Erst nach massiven internationalen Protesten setzte die Regierung das Problem auf die Agenda und dämmte den Ausbruch schließlich ein.

Bei Sars ging es noch einmal gut, bei anderen Epidemien bleibt möglicherweise viel weniger Zeit zur Eindämmung. Experten versprechen sich daher von Internet-basierten Surveillance-Systemen einen zeitlichen Vorsprung. So haben Dr. John S. Brownstein und Kollegen aus Boston in den USA den Verlauf der aktuellen Mexikogrippe über HealthMap (www.healthmap.org) analysiert (NEJM 2009, 360, 2153). HealthMap ist ein für die Öffentlichkeit zugängliches Internet-basiertes System zur Beobachtung von Krankheitsausbrüchen, das etwa Infektiologen öffentlicher Gesundheitssysteme und Ärzte nutzen.

Den ersten Bericht zur Schweinegrippe aus der lokalen mexikanischen Presse erfasste HealthMap bereits am 1. April - also drei Wochen, bevor der Ausbruch international registriert wurde. Darin wurden aus der Kleinstadt La Gloria im Bundesstaat Veracruz Fälle einer grippeähnlichen mysteriösen Erkrankung gemeldet, mit der sich in kürzester Zeit 60 Prozent der 3000 Einwohner infiziert hatten. Bis Mitte März waren zwei Bewohner der Kleinstadt daran gestorben. Am 2. April dokumentierte HealthMap einen Bericht, nachdem eine nahegelegene Schweinefarm an dem Ausbruch beteiligt sein könnte. Jedoch erst eineinhalb Wochen später, am 10. April, wurde die WHO offiziell über den Ausbruch in Mexiko informiert.

Ob rasche Informationen wie durch HealthMap tatsächlich dazu beitragen können, Epidemien rechtzeitig einzudämmen, werde derzeit untersucht, so Brownstein. Die Beurteilung von Daten aus teilweise unsicheren Quellen sei natürlich schwierig. Es könne sinnvoll sein, Informationen den Vorzug zu geben, die zwar nicht ganz so zeitnah erfolgten, aber vor einer Veröffentlichung von Infektionsexperten beurteilt würden. Und natürlich ersetzten Web-basierte Kommunikationssysteme nicht die Informationen durch traditionelle Medien wie Presse, Radio, TV oder nationale Behörden.

HealthMap

HealthMap visualisiert die aktuellen Verbreitungen aller relevanten Infektionskrankheiten, von Salmonellosen, Cholera, über Meningitis, Hepatitis- und Dengue-Virus-Infektionen, der saisonalen Influenza und natürlich der Schweinegrippe. Dazu nutzt das System verschiedenen Internet-Suchmaschinen oder -Dienste wie "Google News", erfasst damit lokale Medienberichte, integriert aber auch offizielle Daten, etwa von der WHO. Die Ergebnisse werden auf einer Landkarte präsentiert. Ein ähnliches Netzwerk ist Epispider (www.epispider.org).

Lesen Sie dazu auch: Schweinegrippe wird eng von WHO überwacht "Jetzt auf die Pandemie vorbereiten!" War nur eine Frage der Zeit: Tod durch H1N1 in Europa Falldefinition des RKI für Schweinegrippe

 

Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

Wie Ärzte in Stresssituationen richtig reagieren können

Verschmutzte Luft

Was Reinigungsmittel in der Lunge anrichten können

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Lesetipps
Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“