Fachgesellschaft betont

Chronische Neuroborreliose ist ein Hirngespinst

Die Zeckensaison 2018 startet mit der neuen S3-Leitlinie Neuroborreliose. Diese widerspricht der Theorie chronischer Spätfolgen. Schlechte Langzeitverläufe basieren vielmehr auf Fehldiagnosen.

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Zecken im Größenvergleich. Die häufigste von ihnen übertragene Erkrankung ist in Europa die Lymeborreliose.

Zecken im Größenvergleich. Die häufigste von ihnen übertragene Erkrankung ist in Europa die Lymeborreliose.

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MÜNCHEN. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat am Freitag nach mehr als dreijähriger Arbeit die erste S3-Leitlinie Neuroborreliose veröffentlicht. Die Leitlinie, deren Veröffentlichung sich durch einen Rechtsstreit um einige Wochen verzögert hatte, bezieht klar Stellung zu vermeintlichen Spätfolgen einer Borrelieninfektion, die Jahre nach dem Zeckenstich auftreten sollen, heißt es in einer Mitteilung der DGN.

So wird darin explizit der Theorie widersprochen, wonach anhaltend unspezifische Symptome wie Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, chronische Müdigkeit, wandernde Schmerzen, Gedächtnisstörungen, Kopfschmerzen und andere schwer greifbare Beschwerden trotz unauffälliger Liquordiagnostik auf eine nicht erkannte oder unzureichend behandelte Infektion des Nervensystems mit Borrelien zurückzuführen sind.

 Auch den sogenannten Lymphozyten-Transformationstest, der bei diffusen Beschwerden eine chronische Borreliose nachweisen soll, halten die wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften für nicht aussagekräftig. Mit entzündlichen Veränderungen im Nervenwasser und dem positiven Antikörpernachweis lasse sich eine Neuroborreliose in der Regel zweifelsfrei feststellen. Diese Punkte finden sich in der die Leitlinie wieder (Download: dgn.org/leitlinien). Zusammengefasst wird der Stand der wissenschaftlichen Evidenz.

Vier Antibiotika empfohlen

"Die Neuroborreliose verläuft überwiegend gutartig", betont Professor Sebastian Rauer vom Uniklinikum Freiburg in der DGN-Mitteilung. Schlechte Langzeitverläufe, von denen immer wieder berichtet werde, seien vielmehr zum erheblichen Teil auf Fehldiagnosen zurückzuführen. Oft liege dann eine andere Erkrankung vor, die nicht auf Antibiotika anspreche, so Rauer, der die Leitlinienarbeit gemeinsam mit PD Dr. Stephan Kastenbauer aus München koordiniert hat.

Zur Behandlung werden in der Leitlinie die Antibiotika Doxycyclin, Penizillin G, Ceftriaxon oder Cefotaxim als Monotherapie empfohlen. Diese Substanzen seien bei gleicher Verträglichkeit gleich gut wirksam gegen Borrelien, so Rauer. Die medikamentöse Therapiedauer wird mit 14 Tagen bei früher und 14 bis 21 Tagen bei später Neuroborreliose im Regelfall angegeben. Eine längere Behandlung bringe keinen Mehrwert, sondern erhöhe nur das Nebenwirkungsrisiko.

Die Lymeborreliose ist die am häufigsten durch Zecken übertragene Krankheit in Europa. In Deutschland erkranken jährlich zwischen 60.000 und mehr als 200.000 Menschen. Nur in drei bis 15 Prozent der Fälle ist das Nervensystem in Form einer Neuroborreliose betroffen. (run)

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