Blutzucker

Dauermessung optimiert die Therapie

Kontinuierliche Glukosemessung optimiert die Diabetestherapie. Die Koppelung der kontinuierlichen Glukosemonitoring-Systeme an Insulinpumpen soll die Funktion des endokrinen Pankreas imitieren.

Von Michael Hummel Veröffentlicht:

Die bisherige stichprobenartige Blutzuckerbestimmung ermöglicht lediglich einen ungenauen und punktuellen Status der Stoffwechselsituation bei Menschen mit Diabetes zu erheben.

Um ohne ständige Blutentnahmen einen Gesamtüberblick auf die Blutglukoseverläufe zu erhalten, wurde seit etwa 40 Jahren nach neuen Messverfahren gesucht. Im Jahre 2000 war erstmalig ein praxistaugliches System zur kontinuierlichen Glukosemessung in Deutschland kommerziell verfügbar.

Messgeräte sehr zuverlässig

Die kontinuierlichen Glukosemonitoring-Systeme (CGMS) haben inzwischen einen hohen Grad an Zuverlässigkeit, Tragekomfort und Bedienungsfreundlichkeit erreicht. Die derzeit eingesetzten, kommerziell verfügbaren Systeme messen die Glukosekonzentration in der subkutanen interstitiellen Flüssigkeit (ISF), also keinen Blutzucker-Wert.

Eine regelmäßige Kalibrierung der Systeme mit selbstgemessenen Blutzucker-Werten ist notwendig. Der gemessene Glukosewert "hängt" zeitlich dem Blutzucker-Wert um 20 Minuten nach, da es so lange dauert, bis der Wert in der subkutanen interstitiellen Flüssigkeit dem Blutzucker-Wert gleicht.

Nutzen für Diagnose und Therapie

Das CGM-System bietet die Möglichkeit, aktuelle Glukosewerte, aktuelle Glukose-Trendinformationen sowie eine Grafik im Display mit dem Glukoseverlauf der letzten drei beziehungsweise 24 Stunden anzuzeigen. So kann bei abfallenden Glukosewerten rechtzeitig mit einer Nahrungs-BE gegengesteuert werden, also akut auf die Glukoseschwankungen reagiert werden.

Bei sehr raschem Blutzuckerabfall kann die zeitliche Verzögerung der Glukosewerte in der subkutanen interstitiellen Flüssigkeit allerdings zu groß sein, um eine Hypoglykämie rechtzeitig zu erkennen.

Werden die aktuell gelieferten Glukoseinformationen sinnvoll genutzt, kann die Blutzuckervariabilität deutlich reduziert und eine Stabilisierung der Blutzucker-Profile erreicht werden (therapeutischer CGM-Einsatz).

Auch prinzipielle Therapiemodifikationen sind durch Visualisierung der kontinuierlichen Glukoseverläufe möglich, wie etwa gesicherte Aussagen zu postprandialen Verläufen (Spritz-Ess-Abstand), Frequenz und Ausprägung von Hypoglykämien, Auswirkungen von sportlichen Aktivitäten etc. So kann zum Beispiel auch die nächtliche Basalrate bei Insulinpumpentherapie optimiert werden (diagnostischer CGMS-Einsatz).

HBA1c-Werte verbessert

Mehr zum Thema

Was Sie über die Blutzuckerselbstmessung alles wissen sollten, erfahren Sie im Dossier Glukose-Selbstmessung der "Ärzte Zeitung" ...

In Studien konnte der Nutzen dieser Technologie zur Optimierung der Diabetestherapie belegt werden: So weist eine randomisierte, multizentrische Studie den positiven Effekt der sensorunterstützten, intensivierten Insulintherapie bezüglich der HbA1c-Senkung nach. Es besteht eine Korrelation zwischen der Dauer der Anwendung des Glukosesensors und der erzielten HbA1c-Absenkung.

Wird der Sensor von Patienten mit Insulinpumpentherapie mindestens 70 Prozent der Zeit benützt, ist eine signifikante Verbesserung der HbA1c-Werte zu erwarten. Für ausgewählte Patienten mit Typ-1-Diabetes stellt das kontinuierliche Glukosemonitoring-System eine sinnvolle Therapiehilfe dar. Allerdings sind insbesondere die Sensoren immer noch sehr teuer, und die Krankenkasse übernimmt nur in Ausnahmefällen die Kosten.

Durch die Koppelung der kontinuierlichen Glukosemonitoring-Systeme an Insulinpumpen zur kontinuierlichen subkutanen Insulintherapie ist nun die Basis für ein "Closed-loop-System" entstanden, das als "künstliche B-Zelle" die Funktion des endokrinen Pankreas imitieren soll.

Das fehlende Verbindungsglied sind die mathematischen Algorithmen, die den gemessenen Glukosewerten die individuell notwendige Insulinabgabemenge zuweisen.

Die neusten Pumpen/Sensor-Systeme unterbrechen die Insulinzufuhr, wenn der Sensor Glukosewerte unter einer individuell definierten unteren Grenze misst. Diese Systeme werden vor allem bei (Klein-)Kindern mit Typ-1-Diabetes in der Nacht zur Vermeidung von Hypoglykämie eingesetzt und stellen einen ersten konkreten Schritt zum Zukunftsprojekt "closed loop" dar.

Der Originalbeitrag von Priv.-Doz. Dr. Michael Hummel (Diabetologische Schwerpunktpraxis Rosenheim & Forschergruppe Diabetes am Helmholtz Zentrum München) ist publiziert in: MMW - Fortschritte der Medizin 2012; 154 (20): 65-68

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren

Wie kann man Impfskeptiker überzeugen?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Wie kann man Impfskeptiker überzeugen?

Ein Mann greift sich an den Fuß.

© Jan-Otto / Getty Images / iStock

Therapievergleich

Akuter Gichtanfall: Am Ende machen alle Wirkstoffe ihren Job