Bei MS

Die Lunge bahnt sich den Weg ins Gehirn

Bei MS scheint die Lunge den autoreaktiven T-Zellen den Weg durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn freizumachen.

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MÜNCHEN. Die Lunge ist bei MS eine wichtige Durchgangsstation für T-Zellen gegen körpereigenes Myelin. Die Zellen werden dort offenbar so umprogrammiert, dass sie in der Lage sind, die Blut-Hirn-Schranke zu durchbrechen, wie Dr. Francesca Odoardi bei der Neurowoche 2014 in München berichtet hat.

Die Göttinger Wissenschaftlerin und ihre Kollegen aus der Arbeitsgruppe von Professor Alexander Flügel haben den Weg der autoaggressiven T-Zellen in einem Tiermodell für MS verfolgt.

Durch die Injektion von Effektor-T-Zellen, die gegen Myelin gerichtet sind, wird bei Ratten eine experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) ausgelöst, die in vielen Aspekten der MS ähnelt.

Die autoreaktiven T-Zellen wandern jedoch nicht sofort ins Gehirn ein, wie die Göttinger Forscher durch Immunfluoreszenzmarkierung nachweisen konnten. Eine massive Infiltration des Gehirns war erst nach 48 Stunden zu beobachten. Das war selbst dann der Fall, wenn die Tiere bereits an einer EAE litten.

Die Hypothese, nach der einzelne Vorläufer-T-Zellen die Gefäßbarriere zum ZNS überwinden und durch Schaffen eines proinflammatorischen Zustands weitere Immunzellen rekrutieren, scheint damit nicht zuzutreffen.

Lunge - eine Nische für ruhende T-Zellen?

Bevor die injizierten T-Zellen im Gehirn auftauchten, waren sie überwiegend in der Lunge lokalisiert. Dort ließen sich mithilfe der Zwei-Photonen-Mikroskopie erstaunliche Veränderungen beobachten: Die T-Zellen waren zunächst über das gesamte Lungenparenchym verteilt, bewegten sich dann aber immer schneller entlang des Bronchialbaums in Richtung der großen Bronchien, erstaunlicherweise nicht nur in den anliegenden Blutgefäßen, sondern auch in den Luftwegen. "Die Zellen nutzen die Atemwege als Schnellstraßen", so Odoardi.

Über Lymphknoten und Milz kehren sie dann in den Blutkreislauf zurück und wandern schließlich ins ZNS ein. Die Passage der Blut-Hirn-Schranke wird laut Odoardi durch phänotypische Veränderungen der T-Zellen in der Lunge ermöglicht.

Die wandernden Zellen unterscheiden sich nämlich erheblich von den ursprünglich injizierten. Anders als diese erscheinen sie bei erneuter Injektion bereits innerhalb von 24 Stunden im ZNS.

Außerdem ist die Expression bestimmter Gene hochreguliert, etwa des Chemokinrezeptors CXCR3 oder des Adhäsionsmoleküls Ninjurin 1, das für die Bewegung in den zerebralen Blutgefäßen gebraucht wird.

Wenn Odoardi und Kollegen diese Proteine blockierten, konnten sie damit den Verlauf der EAE verlangsamen. Die Lunge scheint darüber hinaus auch eine Nische für ruhende T-Zellen darzustellen. Darauf lässt die Injektion von T-Zellen gegen Myelin bei neugeborenen Ratten schließen.

Einige Zellen verbleiben als Gedächtniszellen in der Lunge, durch einen Stimulus kann aber die Differenzierung zu autoaggressiven T-Zellen angestoßen werden.

Ähnliches könnte sich laut Odoardi auch bei der MS abspielen: "Wir gehen davon aus, dass autoreaktive T-Zellen gegen Myelin in geringen Mengen in der Lunge persistieren können. Auf einen bestimmten Reiz hin proliferieren sie in einen Migrationszustand, der ihnen erlaubt, die Lunge zu verlassen und ins ZNS einzudringen." (bs)

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