Alterserscheinungen

Die erstaunliche Wandelbarkeit des menschlichen Gehirns

Älteren Menschen fällt es oft schwer, sich im Alltag zurechtzufinden. Das Gehirn entwickelt jedoch erstaunliche Strategien, um dem Alterungsprozess entgegenzuwirken.

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Älteren fällt es oft schwer, sich in der Welt zurechtzufinden.

Älteren fällt es oft schwer, sich in der Welt zurechtzufinden.

© ozgurcankaya / iStock

BOCHUM. Je älter wir sind, desto schwerer fällt es uns, die Welt um uns herum zu sortieren. Das menschliche Gehirn kann dem Alterungsprozess allerdings entgegenwirken. Messungen von Gehirnwellen zeigten, dass ältere Menschen eine höhere selektive Aufmerksamkeit entwickeln.

Sie schauen genauer und aufmerksamer auf die Details als jüngere Menschen. Die Nachteile des Alterungsprozesses kann das Gehirn also bis zu einem gewissen Grad durch erhöhte Aufmerksamkeit ausgleichen, teilt die Ruhr-Universität Bochum (RUB) mit.

Die Art und Weise, wie Menschen Kategorien bilden, ändert sich im Laufe des Lebens. Das haben Neuropsychologen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) jetzt herausgefunden.

Sortieraufgabe für Ältere und Jüngere

Das Team um Sabrina Schenk und Professor Boris Suchan beobachtete jüngere und ältere Menschen bei einer Sortieraufgabe. Es gab zwei Kategorien von Farbkreisen, die sich jeweils in den verwendeten Farben unterschieden (Neuropsychologia 2016; 91: 222-233).

In jeder Kategorie gab es zusätzlich zwei Gruppen von Kreisen: solche, die sich insgesamt stark ähnelten, und solche, die sehr individuell aussahen. Die Versuchspersonen mussten die Kreise den beiden Kategorien zuordnen. Sie lernten erst während des Tests durch Rückmeldungen, welche Kategorien es gab.

Gehirnwellen geben Auskunft

Die Wissenschaftler zeichneten nicht nur die Antworten der Teilnehmer auf, sondern über ein Elektroenzephalogramm (EEG) auch die Gehirnwellen und über einen "Eye Tracker" die Blickrichtung.

Das Ergebnis: Sowohl jüngere als auch ältere Probanden hatten keine Schwierigkeiten, die sich ähnelnden Kreise in ihre jeweilige Kategorie zu stecken – die Lernprozesse beider Gruppen unterschieden sich nicht wesentlich.

Als sie im Verlauf des Tests jedoch die weniger eindeutigen Exemplare kategorisieren mussten, gab es Unterschiede. Die Einordnung fiel den älteren Versuchspersonen deutlich schwerer.

Höhere selektive Aufmerksamkeit

"Es gibt zwei Strategien, wie man einzelne Objekte einer Kategorie zuordnen kann. Während wir ähnliche Mitglieder einer Kategorie ganzheitlich wahrnehmen, müssen wir Ausnahmen gesondert lernen und uns genau einprägen", wird Schenk in der Mitteilung der RUB zitiert.

"Älteren Menschen fällt es schwerer, von einer Strategie zu der anderen zu wechseln." Die Messungen der Gehirnwellen zeigten aber auch, dass ältere Menschen eine höhere selektive Aufmerksamkeit entwickeln.

Einfach gesagt: Sie schauen genauer und aufmerksamer auf die Details als jüngere Menschen. Das bestätigen auch die Daten des "Eye Trackers", der die Blickrichtung der Probanden aufzeichnete. "Die Nachteile des Alterungsprozesses kann das Gehirn also bis zu einem gewissen Grad durch erhöhte Aufmerksamkeit ausgleichen", so Schenk.

Studien mit Computerspielern

Eine Computersimulation an der kanadischen University of Western Ontario bestätigte die Ergebnisse der Bochumer Wissenschaftler. In einem nächsten Schritt möchte das Team der RUB untersuchen, wie Menschen abschneiden, deren Aufmerksamkeit besonders gut trainiert ist. Dazu wollen sie Computerspieler testen.

Wenn die Gamer besonders gut sind, lässt sich daraus vielleicht ableiten, wie ältere Menschen gezielt ihre Aufmerksamkeit trainieren könnten.

Die Studie entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 874, der seit dem Jahr 2010 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für seine Forschung zu Gedächtnisbildung und Sinneseindrücken gefördert wird. (eb)

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