Kommentar zu bariatrischen Eingriffen

Ein Herz für die Dicksten

Bevor eine bariatrische Op bei Adipösen zum Einsatz kommt, sollen für viele Krankenkassen erst die konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Eine Milchmädchenrechnung.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:

Nach einer Therapie, die das Herzinfarktrisiko von Hochrisikopatienten um 75 Prozent senkt, muss man lange suchen. Mit Medikamenten allein ist das jedenfalls nicht zu schaffen, mit einem chirurgischen Eingriff bei bestimmten Patienten jedoch schon: Wer extrem dick ist, profitiert auch extrem von einer bariatrischen Op. Nach Resultaten einer schwedischen Analyse sinkt das Herzinfarktrisiko nach dem Eingriff um drei Viertel, die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wird halbiert, die Acht-Jahres-Sterblichkeit ebenfalls.

Die Analyse bezog sich zwar auf Patienten, die schon vor der Op mindestens einen Herzinfarkt hatten, andere Untersuchungen mit extrem Adipösen ohne Herzinfarkte und Schlaganfälle kommen jedoch zu ähnlichen Resultaten: Auch hier wurde die Rate für schwere kardiovaskuläre Ereignisse in der Zeit nach der Op mehr als halbiert – verglichen mit Patienten, die sich nicht operieren ließen. Solche Ergebnisse basieren zwar auf Registeranalysen – langjährige randomisiert-kontrollierte Studien sind hier illusorisch. Gut gemacht liefern die Analysen derzeit jedoch die bestmögliche Evidenz.

Und aus dieser lassen sich einige wichtige Punkte ableiten: Zum einen sollten extrem Adipöse die Op nicht auf die lange Bank schieben – je länger sie warten, umso ungünstiger ist die Prognose. Mit Ernährungs- und Lebensstilumstellungen ist bei einem BMI jenseits von 35 oft nicht mehr viel zu holen, solche Maßnahmen müssen viel früher ansetzen.

Zum anderen sollten die Kassen die Dicken nicht länger mit solchen Vorgaben quälen. Die vor einer Kostenzusage verlangte Ausschöpfung sämtlicher konservativer Wege verlängert oft nur das Leiden, denn gute multimodale Ernährungs- und Bewegungsprogramme sind selten verfügbar oder werden nur partiell bezahlt, und sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, schaffen die wenigsten Adipösen. Es sollte eigentlich im Sinne der Krankenkassen sein, möglichst früh auf die Adipositas-Chirurgie zu verweisen, schließlich dürfte eine erfolgreiche Magenverkleinerung das Gesundheitssystem weit weniger kosten als die fast unausweichliche Abfolge von Diabetes, Herzinfarkten und Schlaganfällen.

Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

© Springer Medizin Verlag

Intens. Video-Podcast

Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Mann mit Pflaster auf Oberarm gibt Daumen-hoch-Zeichen

© U_Photo / Shutterstock

Impflücken bei Chronikern

Senkung von Morbidität und Mortalität durch bessere Vorsorge

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Real-World-Analyse von US-Versorgungsdaten-- Bei Einsatz von Sacubitril/Valsartan ist die Gesamtsterblichkeit signifikant geringer als bei Einsatz von ACEi/ARB.

© Springer Medizin Verlag

ARNI in der Primärtherapie der HFrEF

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Social Media

Folgen Sie der Ärzte Zeitung auf Instagram

Lesetipps
Was sind die Folgene eines Medikamentenwechsels bei Psoriasis? Eien Metaanalyse gibt Aufschluss.

© Farina3000 / Fotolia

Verträglichkeit bei Medikamentenwechsel

Plaque-Psoriasis: Klassenwechsel bei Biologika klappt überwiegend gut

Fünf farbige Türen, die alle ein Fragezeichen in der Mitte haben, stehen nebeneinander.

© Sawyer0 / stock.adobe.com

Qual der Wahl

Therapie-Entscheidung bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa: Welche Türe nehmen?