Erster Genchip für die klinische Anwendung

BERLIN (gvg). Das Unternehmen Hoffmann-La Roche hat vor kurzem die CE-Zertifizierung für einen Genchip erhalten, mit dem Ärzte herausfinden können, welche Enzymtypen aus dem Cytochrom-P450-System bei einem Patienten vorliegen. Damit soll künftig eine individuellere Arzneimitteldosierung möglich werden.

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Es handelt sich um den weltweit ersten Genchip, der für die klinische Anwendung zugelassen wurde. Der Chip entstand aus einer Kooperation des Unternehmens mit dem US-amerikanischen Unternehmen Affymetrix, das die dem Test zugrunde liegende Basistechnik liefert. Weil auch die Affymetrix-Technik alleine jetzt CE-zertifiziert wurde, können Diagnostikahersteller auf Basis des Affymetrix-Verfahrens künftig weitere Genchips produzieren.

Test klärt, wie schnell ein Medikament abgebaut wird

"Der Cytochrom P450-Test ermöglicht es, schon im Vorfeld einer Arzneimitteltherapie abzuschätzen, wie schnell ein Medikament abgebaut wird und so die individuell nötige Dosierung in Abhängigkeit von molekularen Gegebenheiten festzulegen", sagte Dr. Horst Kramer von Hoffmann-La Roche im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Der Test analysiert die Gene der beiden Enzyme CYP2D6 und CYP2C19, die zu der großen Familie Cytochrom P450 gehören. Bei CYP2D6 werden drei unterschiedliche Genvarianten berücksichtigt, bei CYP2C19 sind es über 40. In Abhängigkeit von der Kombination dieser Genvarianten auf den beiden entsprechenden Chromosomen wird durch eine Software der wahrscheinliche Metabolisierungstyp errechnet.

Gedacht ist das Verfahren in erster Linie für die Anwendung bei Patienten, die mit Arzneimitteln behandelt werden, bei denen es entweder auf eine rasche und sichere Wirkung ankommt oder bei denen die therapeutische Breite gering ist. So hängt vom CYP2C19-Subtyp unter anderem die Wirkung von Amitryptilin und Phenytoin ab, vom CYP2D6-Subtyp die von Imipramin, Haloperidol, Tamoxifen, Venlafaxin, Carvedilol und Metoprolol.

Chip zunächst für Kliniken und Großlabors

Der "AmpliChip CYP450" kostet 400 Euro und soll zunächst vor allem in Kliniken und Großlabors zum Einsatz kommen. Ob das Geld bei bestimmten Indikationen erstattet wird, ist noch nicht geklärt. Weitere Chips sind bei Hoffmann-La Roche bereits in Planung. Gedacht ist unter anderem an einen Chip für die molekulare Differentialdiagnose der akuten Leukämie, außerdem an Chips zur Therapiekontrolle und Rezidivprognose bei Brust-, Kolon- und Prostatakrebs.



Den Computerherstellern über die Schulter geguckt

Das von dem Unternehmen Affymetrix patentierte Verfahren zur Herstellung von Genchips erinnert an die Produktion von Siliziumchips: Aus einem etwa 30 Zentimeter im Quadrat messenden Wafer, einer Grundplatte, werden die anderthalb bis vier Zentimeter breiten Chips ausgesägt.

"Die Gensequenzen, die für das Erkennen der CYP-Varianten nötig sind, werden zuvor einzeln Base für Base auf den Wafer aufgetragen", so Unternehmens-Sprecher Dr. Dirk Lammerts zur "Ärzte Zeitung".

Das geschieht ähnlich wie in der Computerindustrie durch ein Photolithographieverfahren. In belichteten Arealen laufen chemische Reaktionen ab, die die Anlagerung einer Base nach der Belichtung erlauben. Nach einem Belichtungsschritt werden DNA-Baustein-Lösungen, also etwa eine Adenin-Lösung, über die Platte gespült. Der entsprechende Baustein lagert sich nur dort an, wo vorher belichtet wurde. Weil es vier verschiedene Basen gibt und die Genfragmente auf dem Chip maximal 25 Basen lang sind, sind demnach maximal 100 Spüldurchgänge nötig. Auf einem typischen Chip können je nach Fragestellung 400 bis 60 000 Genfragmente untergebracht werden. (gvg)

Lesen Sie dazu auch: Kommt der Patentpool für Gene?

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