INTERVIEW

Für eine bessere Prognose von Diabetikern müssen Diabetologen und Kardiologen zusammenarbeiten

Diabetiker-Herzen sind besonders gefährdet. "Die Wurzel dafür liegt wohl in der Insulinresistenz", hat dazu Professor Eberhard Standl aus Anlaß des Diabetes-Kongresses zu Helga Brettschneider von der "Ärzte Zeitung" gesagt.

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Ärzte Zeitung: Herr Professor Standl, europäische Diabetologen und Kardiologen haben gerade zwischen ihren Kongressen gemeinsam ein ganztägiges Symposium "Herz und Diabetes" veranstaltet. Warum?

Standl: Diabetiker sterben zu 75 Prozent an Herz-Kreislauf-Krankheiten. Umgekehrt haben 75 Prozent der Patienten mit akutem Herzinfarkt Diabetes oder zumindest eine Vorstufe davon. Beim "Euro Heart Survey" etwa hatte nur ein Drittel der KHK-Patienten ohne zuvor bekannten Diabetes einen wirklich normalen Glukosestoffwechsel. Bei KHK-Patienten ist also ein oraler Glukosebelastungstest zu empfehlen. Wir haben zum Beispiel über Herzinsuffizienz geredet, die bei herzkranken Diabetikern fünfmal häufiger ist. Das hat offenbar unter anderem mit Verzuckerung der extra-zellulären Matrix zu tun sowie einem myokardialen Energiemangel infolge Hypoglykämie.

Ärzte Zeitung: Warum sind Diabetikerherzen so gefährdet?

Standl: Typ-2-Diabetiker haben oft ein metabolisches Syndrom mit Hypertonie und Dyslipidämie aus niedrigem HDL, erhöhtem LDL und hohen Triglyzeriden. Die Wurzel liegt wohl in der Insulinresistenz. Dazu gehört ein prokoagulatorischer Status mit erhöhtem PAI-1-Spiegel. Das ergibt ein Zehn-Jahres-Risiko von 30 Prozent für kardiovaskuläre Ereignisse - ohne metabolisches Syndrom sind es 15 Prozent. Die IRIS-Studie mit 4500 Patienten zeigte Insulinresistenz bei 80 bis 90 Prozent, Hypertonie bei 80 und erhöhtes LDL bei 70 Prozent. Risikofaktoren und frühe Gefäßschäden sollten also vorsorglich erfaßt werden, etwa mit EKG und Messung der Albuminausscheidung.

Ärzte Zeitung: Welche Zielwerte sind in der Therapie sinnvoll?

Standl: Ich empfehle einen HbA1c unter 6,5 Prozent und für LDL, Nüchternglukose und mittleren Blutdruck jeweils Werte unter 100, um das Risiko zu normalisieren. Meist gehört ein Plättchenfunktionshemmer dazu. Die multifaktorielle Therapie wegen aller Risikofaktoren bessert die Prognose von Herzinfarktpatienten deutlich, auch die Prävention. Da müssen Diabetologen und Kardiologen kooperieren. Das Dogma "Diabetiker sterben häufiger an Infarkt" ist neutralisierbar, wie das Schwabinger Herzinfarkt-Register zeigt: Wenn Diabetiker genauso behandelt werden wie Nichtdiabetiker und auch der Stoffwechsel mit intravenös appliziertem Insulin und Glukose normalisiert wird, haben sie die gleiche Prognose wie Nichtdiabetiker.

Ärzte Zeitung: Warum bemerken Diabetiker einen Infarkt oft nicht? Was können Hausärzte tun?

Standl: Man muß auch geringfügige Symptome ernstnehmen. Eigentlich ist es nicht so, daß die meisten Diabetiker beim Herzinfarkt keine Symptome haben - sie nehmen sie nur schlechter wahr. Sie kommen im Schnitt eine Stunde später ins Krankenhaus, das ist wertvolle Revaskularisierungszeit. Das hat vielleicht auch damit zu tun, daß Frauen mit Diabetes besonders häufig einen Infarkt bekommen und daß ihre Symptomatik etwas anders ist, mit Unruhe und Müdigkeit. Der typische Schmerz rückt eher in den Hintergrund.

Ärzte Zeitung: Das kardiovaskuläre Risiko steigt nicht erst bei Diabetikern, sondern schon im Stadium gestörter Glukosetoleranz (IGT), bei Werten von 140 bis 199 mg/dl nach einer Glukosebelastung.

Standl: Das wird oft unterschätzt. Die "Nurses Health Studie" zeigte, daß das Herzinfarkt-Risiko schon zehn Jahre vor Diabetesdiagnose so hoch ist wie bei manifestem Diabetes. Beim Kardiologenkongreß wurde gerade die GAMI-Studie (Glukoseregulation beim Akutem MyokardInfarkt) mit 150 Patienten mit frischem Herzinfarkt vorgestellt, die nach Glukose-Belastung einen normalen Zuckerstoffwechsel, IGT oder Diabetes hatten. Nach einem Jahr war in der IGT-Gruppe jeder zweite Patient gestorben oder hatte ein schweres kardiovaskuläres Ereignis gehabt - bei den Diabetikern nur jeder vierte. Es gibt ja die Hypothese, daß besonders die Glukose-Schwankungen die endotheliale Funktion oder die kardiovaskuläre Ereignisrate beeinträchtigen.

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