Hypoglykämien bei Diabetikern - Teil 1: Definition und Ursachen

In vier Kolumnen geht es um Hypoglykämien: von den Ursachen über Auswirkungen auf ZNS und kardiovaskuläres System zu Strategien der Vermeidung.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Verminderte Konzentrationen der Plasmaglukose mit Werten von weniger als 40 mg/dl (2,2 mmol/l) sind das wichtigste Indiz einer Hypoglykämie, die im übrigen definitionsgemäß an Hand der Whipple-Trias festgestellt wird: dabei kommen zu den gemessenen Werten hinzu als zweiter Faktor das Auftreten von akuten Symptomen und schließlich die Tatsache, dass durch Glukosegaben der hypoglykämische Zustand vermindert oder aufgehoben werden kann.

Allgemein teilt man Hypoglykämien nach der Geschwindigkeit des Abfalls der Blutgluosekonzentration oder im Hinblick auf ihren zeitlichen Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme ein.

Wichtig ist die Tatsache, dass die weitaus häufigsten Hypoglykämien scheinbar paradoxerweise ausgerechnet bei jenem Krankheitsbild auftreten, zu dessen Diagnostik man die Hyperglykämie heranzieht: bei Diabetes mellitus. Die Hypoglykämie ist die häufigste Komplikation in der Behandlung bei Diabetes mellitus mit Insulin, kann aber auch bei bestimmten oralen Antidiabetika vom Typ der Sulfonylharnstoffe oder der Glinide zu Unterzuckerungen führen. Die normnahe Einstellung des Kohlenhydratstoffwechsels (HbA1c und Blutzucker) ist zu fordern wegen der besseren Prognose im Hinblick auf mikrovaskuläre und neuropathische Komplikationen des Diabetes und - wie man seit letztem Jahr weiß - auch im Hinblick auf die Langzeitergebnisse bei der Makroangiopathie (UKPDS-Studie). Das erschwert natürlich eine Hypoglykämie-freie Einstellung. 

Nach dem klinischen Schweregrad unterteilt man die Unterzuckerungen in die asymptomatische Hypoglykämie, die milde Hypoglykämie mit ersten neurologischen und vegetativen Symptomen, die moderate Hypoglykämie mit ausgeprägter Symptomatik und Störung der motorischen, kognitiven und psychischen Funktionen (hier kann der Patient aber noch sich selbst helfen) und die schwere Hypoglykämie, die zu Bewusstlosigkeit, zu einem zerebralen Krampfanfall oder anderen schweren neurologischen Störungen führen kann und die fremde Hilfe erfordert. Es ist die Crux vieler Studien, die sich mit dem Problem der möglichen Langzeitschäden bei Hypoglykämien beschäftigen, dass aus der Anamnese im Wesentlichen nur die schweren Hypoglykämien erfragt werden können. Die häufigsten Symptome sind Hungergefühl, Zittern und Tachykardien. Bei schweren Unterzuckerungen kann ein breites Spektrum von Symptomen auftreten: Konzentrationsstörungen, Schwindel, verschwommenes Sehen, Hunger, später auch periorale Parästhesien, Sehstörungen, Verwirrungs- und Schwächezustände. Der Verlust der Hypoglykämiewahrnehmungen nimmt leider bei Diabetikern im Laufe der Jahre zu. Dabei gehen die Warnsymptome des autonomen Nervensystems verloren, sodass sicher mehr als ein Viertel der mit Insulin behandelten Patienten eine solche Störung hat.

Bedeutsam ist, dass über die Hälfte aller Medikamenten-induzierten Hypoglykämien in der Nacht oder am frühen Morgen vorkommen. Solche Unterzuckerungen werden im Schlaf oft nicht bemerkt, sodass man ganz besonders auf die richtige Medikation mit den geeigneten oralen Antidiabetika und Insulinen angewiesen ist. Von praktischer Bedeutung als Auslöser sind eigentlich nur Insulin und Sulfonylharnstoffe.

Die zweite Kolumne folgt am 20. April

Professor Hellmut Mehnert

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