Immunsuppressive Therapie nach Transplantation wird spezifischer

BAD NAUHEIM (ner). Die moderne Immunsuppression hat es möglich gemacht, daß transplantierte Herzen bei 40 Prozent der Empfänger noch nach 20 Jahren schlagen. Mit neuen Methoden der Immunsuppression nach Organtransplantation soll künftig die Therapie vor allem noch spezifischer und verträglicher werden als bisher.

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Man habe inzwischen "eine Flut von Medikamenten zur Verfügung, die Abstoßungsreaktionen unterdrücken können", sagte Professor Uwe Heemann von der Technischen Universität München bei einem Symposium in Bad Nauheim.

Die Veranstaltung wurde vom Hessischen Sozialministerium und dem Uniklinikum Gießen / Marburg ausgerichtet. Die meisten immunsuppressiven Mittel wirken entweder auf beteiligte T-Lymphozyten oder auf die Synthese von Antikörpern, die gegen das Spenderorgan gerichtet sind. "Nur wenige Medikamente vermögen beides gleichzeitig", so Heemann.

Anfälligkeit für Infektionen soll weiter verringert werden

"Wir können heute die akute Abstoßung komplett verhindern. Aber das Nebenwirkungsrisiko steigt damit enorm", sagte er. Ziel sei es, unter Umgehung unerwünschter Wirkungen und der Anfälligkeit für Infektionen eine gute Wirksamkeit der Mittel zu erreichen. Künftig werden daher zunehmend sehr spezifische Antikörper auf den Markt kommen.

Ihr Vorteil: Bei mit klassischen Immunsuppressiva vergleichbarer Effektivität sind die akuten unerwünschten Wirkungen deutlich geringer, etwa hoher Blutdruck, Fettstoffwechsel-Störungen oder die erhöhte Diabetes-Inzidenz. Als Beispiel nannte Heemann den noch nicht zugelassenen Signalhemmer Belatacept, der in einer Studie bei Patienten nach Nierentransplantation ebenso effektiv war wie Ciclosporin, aber kaum unerwünschte Wirkungen hatte, vor allem keine Nephrotoxizität verursachte.

Hohe Spezifität der Mittel hat auch Nachteile

Die hohe Spezifität der neuen Mittel sei aber auch mit Nachteilen behaftet, so der Experte von der Deutschen Transplantationsgesellschaft: "Wenn etwas sehr spezifisch für den Menschen ist, kann man das schlecht an Mäusen testen!" Es bestehe erhöhte Gefahr für Zwischenfälle bei Probanden, wie etwa die Ereignisse eines Medikamententests im März dieses Jahres in London gezeigt hätten (die "Ärzte Zeitung" berichtete). Damals waren bei sechs gesunden Probanden teilweise lebensbedrohliche Nebenwirkungen aufgetreten.

Wie stark eine Abstoßungsreaktion ist, sagt zudem nichts über die Überlebensdauer des Organs aus. Wie lange transplantierte Organe arbeiten, hängt deshalb nicht nur von der Qualität der Immunsuppression ab, sondern unter anderem auch von der Qualität der transplantierten Organe. "Vor 20 Jahren haben wir Organe, die wir heute aufgrund der Mangelsituation routinemäßig akzeptieren müssen, noch abgelehnt", sagte Heemann. Ein Beispiel: In Hessen liege inzwischen das durchschnittliche Alter der Organspender über 60 Jahre.

Das Hessische Sozialministerium hat die Kampagne "Organe spenden kann leben retten - ich bin dabei" ins Leben gerufen: http://www.sozialnetz.de/custom/statische_webs/organspende/index.html



STICHWORT

Abstoßungsreaktion

Nach einer Organtransplantation kommt man um eine Immunsuppression nicht herum. Denn das Immunsystem des Empfängers erkennt das Spenderorgan aufgrund der verschiedenartigen Gewebemerkmale (HLA-Merkmale) als fremd. Es kommt zu Abstoßungsreaktionen, die sich zunächst als Entzündungszeichen bemerkbar machen. In den ersten Tagen bis Wochen tritt eine akute Abstoßungsreaktion auf. Diese Reaktion wird vor allem durch T-Zellen vermittelt. Die Vorgänge lassen sich mit den verfügbaren Immunsuppressiva, zum Beispiel mit Antikörpern, gut unterdrücken. Die Mittel unterscheiden sich darin, wie sie die Immunreaktionen auf das fremde Organ blockieren. Die derzeit verfügbaren Immunsuppressiva lassen sich je nach zellulärem Angriffspunkt vier Gruppen zuordnen. Sie werden nur kombiniert genutzt. (ple)

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