In Montreal vier Szenarien für neue Antidiabetika vorgestellt

Der Kongress der Internationalen Diabetes-Vereinigung im Oktober 2009 in Montreal hatte ein ausgezeichnetes Programm. Nur einige Themen können hier dargestellt werden.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Professur Hellmut Mehnert.

Immer wieder angesprochen wurde die viel zitierte ACCORD-Studie. Bekanntlich wurde sie aus ethischen Gründen abgebrochen, da bei der Gruppe der zu scharf eingestellten Typ-2-Diabetiker mit einem HbA1c-Zielwert unter 6 Prozent eine erhöhte Sterberate im Vergleich zu den weniger scharf Eingestellten der Kontrollgruppe ermittelt wurde. Die jetzt mitgeteilten Ergebnisse erscheinen in gewisser Weise widersprüchlich, da sowohl bei den scharf eingestellten als auch bei den gemäß HbA1c-Werten unbefriedigend geführten Patienten eine Erhöhung der harten vaskulären Endpunkte festgestellt wurde. Wichtig zu wissen ist, dass zwei andere Studien (ADVANCE und VADT) den negativen Befund bei den schärfer eingestellten Patienten nicht bestätigt haben. Bei der jetzigen Auswertung fiel vor allem auf, dass drei Faktoren bei ACCORD mitursächlich für die nachteiligen Folgen bei der Prüfgruppe zu sein scheinen: 1. das zu schnelle Tempo einer Verbesserung der Einstellung, 2. die in der Prüfgruppe vermehrt festgestellte Neuropathie und 3. die signifikant höhere Verabreichung von ASS, die auf eine stärkere vaskuläre Vorbelastung hinzudeuten vermag.

Vor allem der Hinweis auf die Neuropathie ist interessant, da auch die autonome Neuropathie mit den nicht seltenen Herzrhythmusstörungen für die erhöhte Sterberate eine Bedeutung haben könnte. Das wichtigste Ergebnis war aber die Einschätzung, dass Typ-2-Diabetiker zu Beginn der Erkrankung möglichst gut (mit einem HbA1c unter 6,5 Prozent) eingestellt und nur bei langer Diabetesdauer und kardiovaskulärer Vorbelastung etwas höhere HbA1c-Grenzwerte anzustreben sind.

Bei der Therapie von Typ-2-Diabetikern war von einem Siegeszug des Inkretinkonzeptes mit einer Blutzuckersenkung ohne Hypoglykämien und ohne Gewichtszunahme sowohl bei den injizierbaren Inkretin-Mimetika als auch bei den DPP4-Hemmern Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin die Rede. Die Sulfonylharnstoffe darf man getrost als Auslaufmodell bezeichnen, die früher oder später durch Substanzen, die sich des Inkretinkonzeptes bedienen, abgelöst werden dürften. Neue Mimetika werden mit nur einer Injektion pro Woche oder sogar pro Monat auskommen. Die orale Therapie mit Gliptinen ist ein Vorteil, den man sorgfältig gegen die etwas stärker wirksamen Mimetika abwägen muss.

Als Szenarien bei den oralen Antidiabetika zeichnen sich ab: SGLT2 (SodiumGlucose Co-Transporter 2)-Hemmer, die zu einem Absenken der Nierenschwelle für Glukose führen. Zum zweiten wird an Glukagon-Rezeptorantagonisten gearbeitet. Ferner wurden Glukokinase-Wirkungsverstärker beschrieben, die einen vermehrten Glukoseeinstrom etwa in Leber- aber auch in Betazellen erzielen. Und schließlich regulieren neue PPAR-Agonisten vom Typ Alpha sowie Beta/Delta den Fettstoffwechsel sowie den Metabolismus am Muskel.

Höhepunkte waren die vorzüglichen Festvorlesungen von Professor Stephanie Amiel über die zerebrale Appetitkontrolle und das metabolische Syndrom sowie von C. Yajnik zur die Bedeutung der Unterernährung schwangerer Frauen für die spätere Entstehung von Adipositas und Diabetes bei Kindern. Beide Forscher teilten sich den von UN und Unesco begründeten Hellmut-Mehnert-Award und von MSD mit 50 000 Euro unterstützen Preis.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat Mehnert die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht. Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

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