Metaanalyse bestätigt

Kein Vorteil mit ASS zur kardiovaskulären Primärprävention

Eine weitere Metaanalyse von Studien zu ASS in der Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse hat bestätigt: Der Nutzen übersteigt nicht den möglichen Schaden. Das gilt selbst für Hochrisikopatienten.

Von Robert Bublak Veröffentlicht:
Blutgefäße: Eine Studie hat den primärpräventiven Nutzen von ASS bei 145000 Probanden untersucht.

Blutgefäße: Eine Studie hat den primärpräventiven Nutzen von ASS bei 145 000 Probanden untersucht.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Frage: Beugt die Einnahme von ASS ersten Herzinfarkten oder Schlaganfällen vor?
  • Antwort: Ja. Aber der Nutzen wird mit einem Schaden in etwa gleicher Höhe in Form des Risikos für größere Blutungen erkauft.
  • Bedeutung: Selbst kardiovaskuläre Risikopatienten profitieren in einer Nutzen-Schaden-Kalkulation nicht von einer Primärprävention mit ASS.
  • Einschränkung: Die Ergebnisse könnten einem Bias des Typs „Regression zur Mitte“ unterliegen.

Hershey. Kaum ein Thema ist häufiger und ausführlicher analysiert und metaanalysiert worden als der Einsatz von Acetylsalicylsäure (ASS) in der Primärprävention von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Und bei ebenfalls kaum einem Thema sind die Ergebnisse so gleichförmig negativ.

Die nun von Dr. Matthew Nudy vom Penn State College of Medicine in Hershey und Mitarbeitern vorgelegte Metaanalyse bildet da keine Ausnahme (Am J Med 2020; online 20. Mai). Interessant ist die Arbeit von Nudy und Kollegen dennoch. Sie hatten sich nämlich besonders auf Daten zu Hochrisikopatienten konzentriert, zu denen beispielsweise solche zählen, deren Zehn-Jahres-Risiko für kardiovaskulären Tod fünf Prozent und mehr oder für eine kardiovaskuläre Erkrankung 20 Prozent und mehr beträgt. Am Resultat hat das freilich nichts geändert.

Nudy und sein Team nahmen zwölf randomisierte und kontrollierte Studien unter die Lupe, an denen insgesamt mehr als 145.000 Probanden beteiligt waren. Sie hatten bis zu zehn Jahre lang primärpräventiv ASS-Dosen zwischen 75 und 500 mg ASS eingenommen. In der Summe gelang damit eine Metaanalyse von Daten aus mehr als 960.000 Patientenjahren.

Weniger Herzinfarkte, aber höheres Blutungsrisiko

Tatsächlich reduzierte die ASS-Einnahme die Häufigkeit von Herzinfarkten und Schlaganfällen (tödlich oder nicht), und zwar von 5,3 Ereignissen je 1000 Patientenjahre in den Kontrollgruppen auf 4,7 je 1000 in den ASS-Gruppen. Das relative Risiko lag im Mittel um 14 Prozent niedriger (Konfidenzintervall acht bis 21 Prozent).

Die Studienteilnehmer, die Infarkten und Insulten mit ASS vorbeugten, hatten aber andererseits ein im Schnitt um 41 Prozent erhöhtes Blutungsrisiko (Konfidenzintervall 29 bis 54 Prozent). Je 1000 Patientenjahre traten 2,5 schwere – gastrointestinale, intrakraniale oder andere – Blutungen (major bleeding) auf, ohne ASS waren es 1,8 je 1000. Damit wurde das Blutungsrisiko um 0,7 je 1000 Patientenjahre erhöht, das Infarkt- und Insultrisiko um 0,6 je 1000 gesenkt.

Kein Nutzen auch für Hochrisikopatienten

Die Wissenschaftlergruppe um Nudy wollte nun wissen, ob sich die Waage zur Seite des Nutzens neigt, wenn das kardiovaskuläre Risiko von Patienten steigt. Tendenziell war das zwar der Fall. Statistisch signifikant war der Unterschied je nach Risikodifferenz jedoch nicht, ein Nulleffekt in den Berechnungen nicht ausgeschlossen.

„Unsere Daten liefern keinen Grund anzunehmen, ASS könnte in der Primärprävention von Hochrisikopatienten nützlich sein“, lautet die Bilanz der Forscher.

Ein Manko der Metaanalyse war, dass sie nicht gegen Verzerrungen vom Typ der Regression zur Mitte gefeit war. Das könnte zur Folge haben, dass Probanden fälschlich der Hochrisikogruppe zugeordnet und die Behandlungseffekte daher zu hoch oder zu niedrig eingeschätzt wurden.

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