Nephrologischer Schlagabtausch III

Keine Chance für die Protokollbiopsie der Niere

Teil 3 des Schlagabtausches auf den DGfN-Kongress: Die Nephrologen beleuchten die Protokollbiopsie nach einer Nierentransplantation. Trotz Wortgefechts kann sich das Verfahren nicht behaupten.

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BERLIN. Akute und chronische Abstoßungsreaktionen sind die großen Gefahren der Transplantationsmedizin. Trotz stetig besser werdender Immunsuppressiva schauen Transplanteure mit Argusaugen auf die Funktion des Spendeorgans.

Auch die Nephrologen müssen noch immer Organverluste beklagen, trotz guter HLA-Matches zwischen Spender und Empfänger und auch trotz gut eingestellter Immunsuppression.

Helfen könnten womöglich regelmäßige Protokollbiopsie, so lautet zumindest die Hypothese. Damit wollen Nephrologen frühzeitig Prozesse in dem Organ entdecken, die mittel- oder langfristig die Funktion beeinträchtigen könnten, oder im schlimmsten Fall sogar zu einer Abstoßung führen.

Bereits in den 1950er Jahren hatten französische Ärzte erste Biopsien dieser Form durchgeführt, um die Funktion transplantierter Nieren zu überwachsen. In den letzten Jahren hat sich das Verfahren zunehmend verbreitet. Zu Recht?

Zu Beginn des Schlagabtauschs stimmten rund 39 Prozent der Nephrologen im Auditorium für das Verfahren. Professor Jens Lutz von der Unimedizin Mainz versuchte, diese Zustimmungsrate noch zu steigern.

Pro Biopsie: Pathomechnismen der Abstoßungsreaktion verstehen

Sein Argument für die dauerhafte Überwachung mittels Biopsie: Selbst wenn Patienten nach einer Transplantation vier Jahre überstanden haben, kann es noch immer zu antikörpervermittelten Abstoßungsreaktionen kommen.

Unklar seien bislang jedoch die dahintersteckenden Pathomechanismen "Wir wissen gar nicht, was bei unseren Patienten passiert", sagte Lutz. "Wir hängen in der Luft, und deswegen müssen wir Protokollbiopsien durchführen."

Der Nutzen: Mit dem Wissen über das, was in dem transplantierten Organ passiert, ließen sich endlich die pathologischen Abläufe aufklären.

Außerdem könnten Biomarker identifiziert werden, anhand derer sich künftig Abstoßungsreaktionen vorhersagen lassen. Auch die Sicherheit neuer Immunsuppressiva ließe sich besser prüfen, meint er.

Und zuguter Letzt könnte mit den Biopsaten eine "Probenbank" für weitere Forschungen aufgebaut werden. In Lutz‘ Augen sollten die Protokollbiopsien allerdings besser "Verlaufsbiopsien" heißen.

Contra: Biopsie-Komplikationen

All das wollte Professor Hans-Hellmut Neumayer von der Charité kaum gelten lassen: "Sie verstehen, dass ich Ihnen keinesfalls zustimmen kann, denn Sie wissen nicht, was Sie tun." Neumayer verwies auf typische Biopsie-Komplikationen: "Sie haben bei 1000 Biopsien etwa zehn schwere Komplikationen." Vor allem Blutungen sind gefürchtet.

Neumayer bezweifelte außerdem den Sinn von Biopsien: Er zeigte ein Bild von Gnus in der Serengeti und lud Lutz symbolisch zu einem "Rundflug" dorthin ein. Die Tiere sollen die T-Zellen darstellen: "Und da pieken Sie nun mal rein aus tausend Meter Höhe, und dann stechen Sie auch noch daneben."

Damit wollte Neumayer demonstrieren, wie gering die Chance ist, mittels einer Biopsie tatsächlich ein aussagekräftiges Untersuchungsmaterial zu erhalten. Außerdem gebe es bei diesem Verfahren keine Randomisierung, keine Verblindung, auch prospektiv sei der Ansatz nicht.

Neumayer verwies zudem auf Studien, die bislang gezeigt hätten, dass mögliche Infiltrate aus Protokollbiopsien keine Auswirkung auf den Outcome von Organ- und Patientenüberleben hätten. Etwa die unbehandelte Rejektion des Organs, "die Sie ja behandeln wollen", so Neumayer: Die führe gar nicht zum Transplantatverlust. Auch hätten bisherige Protokollbiopsien bislang "keinerlei therapeutische Konsequenzen" gehabt.

Anders sei es mit der GFR: Die zeige laut Daten von der Charité eine enge Korrelation mit dem Outcome: "Es wäre also besser gewesen, nicht in die Nieren dieser Patienten zu stechen, sondern die GFR zu vergleichen." Für Neumayer steht fest, dass der "ganze Fragenkatalog" von subklinischen Ereignissen nicht mit Protokollbiopsien nicht beantworten lässt.

Und schließlich sei auch die Chance, Abstoßungen zu verhindern, gering. Neumayer: "Akute Rejektionen haben wir mal an Tag fünf und Mal an Tag sechs." Dann mache man freilich eine Indikationsbiopsie. Das sei, was zähle, "und nicht das zufällige Hineingesteche in Organe".

Das Auditorium war davon sichtlich überzeugt: Nur noch 22 Prozent der Teilnehmer stimmten für die Protokollbiopsie. (nös)

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