Kinder rauchender Eltern sind anfällig für Krankheiten - und rauchen oft später selbst

Rauchende Schwangere können ihr ungeborenes Kind irreversibel schädigen, rauchexponierte Kleinkinder leiden gehäuft an Atemwegsinfekten und greifen als Erwachsene selbst zur Zigarette. Experten fordern daher Entwöhnprogramme für Eltern.

Von Sabine Stürmer Veröffentlicht:
Für Schwangere tabu: Zigaretten (und Alkohol).

Für Schwangere tabu: Zigaretten (und Alkohol).

© Foto: Dmitry Naumov@www.fotolia.de

Rauchende Eltern geben ein schlechtes Vorbild ab und vergrößern damit die Gefahr, dass ihr Kind später selbst wieder raucht. Rauchen während der Schwangerschaft schadet dem Kind massiv. Das bestätigen erneut Dr. Martin Rosewich und Kollegen vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Frankfurter Universitätsklinikum. Die Forscher haben die Datenlage zu den Gesundheitsfolgen des Passivrauchens durch Neugeborene und Kinder zusammengefasst (Pneumologie 62, 2008, 423).

Schwangere, die rauchen, erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit für ein verlangsamtes fetales Wachstum, einen vorzeitigen Blasensprung, eine Frühgeburt und folglich für ein niedriges Geburtsgewicht.

Rauchen während der Schwangerschaft und auch die postpartale Exposition gegenüber Passivrauch stellen zudem zwei Schädigungswege dar, die unabhängig voneinander zu Verlusten der Lungenfunktion führen, die bis weit ins Erwachsenenalter nachwirken. Denn: Die in der frühen Kindheit entstandenen Schäden sind irreversibel, berichten die Forscher.

Besonders anfällig sind Kinder mit einer positiven Familienanamnese für Asthma. Wenn die Mutter in der Schwangerschaft raucht, ist der plötzliche Kindstod (SIDS) um das Vierfache wahrscheinlicher. Ist das Kind auch postpartal Zigarettenrauch ausgesetzt, steigt die Wahrscheinlichkeit für SIDS weiter an. Mögliche Ursache: Bei den an SIDS gestorbenen Kindern fand sich in der Gruppe der rauchexponierten Kinder eine Verdickung der Atemwegswände.

Nach der Geburt kommt es bei Kindern von rauchenden Eltern häufiger zu pfeifenden Atemgeräuschen, und sie erkranken öfter an Atemwegsinfektionen. Dabei treten bereits im ersten Lebensjahr gehäuft tiefe und schwer verlaufende Infekte auf. Bei rauchexponierten Kindern besteht im ersten Jahr eine um das Vierfache erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Klinikeinweisung - verglichen mit Kindern aus Nichtraucher-Haushalten.

In den ersten fünf Lebensjahren sind Lungenentzündungen, Bronchitis und Tonsillitiden um das Doppelte häufiger, Infekte der oberen Atemwege immerhin um das 1,5-fache. Ferner treten adenoide Wucherungen, Schnarchen und Mittelohrentzündungen bei Kindern aus Raucher-Haushalten häufiger auf.

Rauchen die Eltern, ist das Risiko für plötzlichen Kindstod erhöht.

In den USA verursacht die Rauchexposition bei Säuglingen und Kindern jährlich pro 100 000 Einwohnern einen SIDS-Toten, bis zu 571 Praxisbesuche aufgrund einer Otitis media, bis zu neun Asthma-Neuerkrankungen, bis zu 357 Asthma-Exazerbationen und 54 bis 107 Fälle von Bronchitis oder Pneumonie, wie epidemiologische Studien belegen. Die Autoren beklagen, dass gerade die Kinder, die am stärksten durch Zigarettenrauch bedroht sind, bislang nicht durch gesetzliche Initiativen geschützt werden.

"Programme zur Tabakentwöhnung von Eltern und vor allem Schwangeren können helfen, Jugendliche vor einem Einstieg zu bewahren," sagt Rosewich. Denn die Einstellung zum Tabak wird bereits in der Kindheit erworben und bleibt oft ein Leben lang bestehen. Eltern sind deshalb die wichtigsten Vorbilder! Sind sie Nichtraucher, besteht eine gute Chance, dass auch ihre Kinder auf Zigaretten verzichten.

Rosewich und seine Arbeitsgruppe betonen, dass gerade der Einstieg in die "Rauchkarriere" im Jugendalter besonders prekär sei. Denn: Wer vor dem 20. Lebensjahr regelmäßig raucht - das bedeutet: mehr als 300 Zigaretten pro Jahr - kommt häufig zeit seines Lebens nicht mehr vom Glimmstängel los.

Rosewich und seine Kollegen fordern aus all diesen Gründen: Der Prävention Jugendlicher vor der Nikotinsucht muss unbedingt ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. 2005 betrug die Rate der jugendlichen Raucher 23 Prozent. Im Vergleich zu 2001 - damals waren es noch 30 Prozent - kann damit zwar ein Abwärtstrend verzeichnet werden, aber im Vergleich zu 1992 - da waren es nur 18 Prozent - ist der Anteil noch immer sehr hoch.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Rauchentwöhnung speziell für Frauen!

Mehr zum Thema

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen